0568 - Die Braut des Wahnsinns
»Unsinn, es ist keine Bombe drin.«
»Was dann?«
»Ein Film, eine Kassette, eine Video-Aufnahme. Und sie soll dir gehören. Du mußt sie dir ansehen. Sie ist wahnsinnig gut, wirklich. Mir hat sie auch gefallen.«
»Wer sind Sie denn?«
»Der Weihnachtsmann.«
»Warum nicht der Osterhase?«
Eine Antwort bekam ich nicht mehr. Er hatte schon aufgelegt.
Solche Anrufe bekam ich relativ häufig. Manchmal brachten sie etwas, dann wiederum wollte sich nur jemand wichtig machen.
Hier auch?
Ich starrte den Hörer an, als könne er mir die Antwort geben. Das würde er bestimmt nicht. Wenn ich die Mittagspause eingehalten hätte, wäre alles anders gekommen. Ich war einfach zu faul gewesen, das Büro zu verlassen und in das Schmuddelwetter zu treten, also hing mal wieder die Entscheidung an mir.
Suko kam zurück. Er war im Waschraum gewesen und trocknete sich noch die Hände ab. »Du willst nichts essen?«
»Keinen Hunger.«
»Dann fällst du noch vom Fleisch.«
Ich winkte ab. »Essen werde ich nichts, aber ich setze mich in meinen Rover, spiele Chauffeur und kutschiere mich selbst nach Hause. Was hältst du davon?«
»Ist das etwas Besonderes?« fragte er.
»Schon, wenn man es um diese Zeit tut.«
Suko warf das Papierhandtuch in den Abfallkorb. »Das verstehe, wer will, ich muß da streiken.« Er schlug sich gegen die Stirn. »Wieso kommst du plötzlich auf die Idee, nach Hause fahren zu wollen?«
»Weil ich angerufen worden bin«, sagte ich und legte die Beine hoch.
»Aber nicht von deiner Wohnung aus.« Suko setzte sich wieder.
»Bestimmt nicht. Man riet mir, nach Hause zu fahren und mich um das kleine Paket zu kümmern, das mir jemand vor die Wohnungstür gelegt hat. Das ist alles.«
»Was für ein Paket, von wem stammt es?«
»Ich habe keine Ahnung. Angeblich soll sich ein Videofilm darin befinden, eine Kassette, die für mich interessant ist. Mehr habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Zufrieden?«
Suko kicherte. »Bist du es?«
»Nein.«
»Aber du fährst?«
»Klar.« Ich schwang die Beine vom Schreibtisch. »Ob ich zurückkomme, weiß ich noch nicht.«
»Das nenne ich einen wahren Freund, mich dermaßen im Stich zu lassen. Ich werde es mir merken.«
»Wieso lasse ich dich im Stich?«
»Denk mal an den Rapport, der für heute nachmittag angesetzt wurde. Wir sollen Erklärungen abgeben, wie es möglich sein konnte, daß diese Barbaren in London erschienen sind?«
»Das wirst du schon schaukeln.«
»Und was soll ich sagen?«
»Bleibt dir überlassen. Es gibt doch neutrale Zeugen, Suko. Die Bewohner der Straße lagen in einem magischen Schlaf, als es passierte. Du kannst dir einiges einfallen lassen. Außerdem wird dir Sir James den anderen gegenüber Rückendeckung geben.«
Zusammen mit unserem Chef, Sir James, hatten wir versucht, den letzten Fall so wenig wie möglich hervorzuheben. Es waren schlimme Dinge geschehen. Grenzen zu anderen Reichen hin hatten sich verschoben und die Magie des Landes Aibon in unsere Welt einfließen lassen. Barbaren waren in der City von London erschienen, angeführt von einer Hexe namens Margareta, die meine Waffen in ihren Besitz hatte bringen wollen. Es war ihr nicht gelungen. Der Dunkle Gral und das Kreuz befanden sich nach wie vor in meinem Besitz. Da sollten sie auch bleiben.
»Gut, ich versuche dann, dich zu vertreten.« Sukos Gesicht nahm einen mißtrauischen Ausdruck an. »Stimmt das auch mit dem Päckchen, oder willst du dich nur drücken?«
»Traust du mir das zu?«
»Klar.«
»Jetzt drehe ich gleich durch. Wie käme ich dazu, dich zu belügen, Alter?«
Suko hob die Hände und bewegte sie wie eine Cancan-Tänzerin.
»Also ich an deiner Stelle…«
»Ich bin nicht du. Es stimmt tatsächlich. Ich kann dir die Kassette später vorspielen.«
»Eins mußt du mir versprechen!« rief er, als ich schon an der Tür stand. »Sollte etwas passieren, mußt du mich aus dieser komischen Konferenz herausholen.«
»Abgemacht.«
»Dann viel Spaß.«
»Auch so.« Ich verschwand grinsend. Im Prinzip war ich froh, nicht bei dieser Konferenz sein zu müssen. Fragen, Antworten, Erklärungen, das war nichts für mich. Da ertrug ich lieber den dichten Verkehr.
Ich ließ mich mit dem Rover im Strom der Fahrzeuge treiben. Es regnete nicht mehr. Im Westen verschwanden die Wolken, dort klarte es auf. Die helleren Stellen schoben sich immer weiter vor. Ich stellte den Rover in der Tiefgarage ab, fuhr noch nicht hoch bis zu meiner Wohnung, sondern ging zum
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