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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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Julia-Jacobs-Akte ausgrub, auf mein römisches Debakel stieß und meiner Schatzsuche ein frühzeitiges Ende setzte.
    Als ich kurz darauf Umberto anrief und ihm berichtete, dass ich wohlbehalten angekommen war, merkte er wohl sofort an meiner Stimme, dass irgendetwas schiefgelaufen war.
    »Ach, es ist nichts«, erklärte ich. »Nur ein armanitragender Schnösel, der dahintergekommen ist, dass ich zwei Namen habe.«
    »Aber er ist Italiener«, lautete Umbertos vernünftige Antwort. »Solange du schöne Schuhe trägst, ist es ihm völlig egal, wenn du ein bisschen gegen das Gesetz verstößt. Trägst du schöne Schuhe? Trägst du die Schuhe, die ich dir geschenkt habe? Principessa? «.
    Mein Blick glitt hinunter zu meinen Flip-Flops. »Ich schätze, jetzt bin ich geliefert!«
     
    Als ich endlich einschlief, landete ich sofort in einem alten Traum, den ich zwar schon seit Monaten nicht mehr geträumt hatte, der aber seit meiner Kindheit Teil meines Lebens war. In dem Traum streifte ich durch ein prächtiges Schloss mit Mosaikböden und hohen Gewölben, die von dicken Marmorsäulen getragen wurden. Ich schob dort eine vergoldete Tür nach der anderen auf und fragte mich, wo denn alle steckten. Die einzige Lichtquelle waren ein paar schmale Buntglasfenster hoch oben über meinem Kopf. Die farbigen Strahlen reichten nicht aus, um die dunklen Winkel um mich herum zu erhellen.
    Während ich durch die riesigen Räume streifte, kam ich mir vor wie ein Kind, das sich im Wald verirrt hatte. Es frustrierte mich, dass ich die Gegenwart anderer Menschen zwar spüren konnte, sie sich aber nie blicken ließen. Sooft ich stehenblieb, hörte ich sie flüstern und wie Geister umherhuschen. Falls es sich tatsächlich um ätherische Wesen handelte, waren sie dennoch wie ich gefangen und suchten einen Weg nach draußen.
    Erst, als ich an der Highschool das Stück las, wurde mir klar, dass jene unsichtbaren Dämonen Satzfetzen aus Shakespeares Romeo und Julia flüsterten - nicht nach Art von Bühnenschauspielern, sondern mit stiller Intensität, wie einen Zauberspruch. Oder einen Fluch.
     

I.III
    Innerhalb drei Stunden wird das schöne Kind erwachen
     
    Erst die Glocken der gegenüberliegenden Basilika weckten mich wieder auf. Zwei Minuten später klopfte Direttor Rossini an meine Tür, als hätte er gewusst, dass ich diesen Lärm unmöglich verschlafen haben konnte. »Bitte entschuldigen Sie!« Ohne auf eine Einladung zu warten, schleppte er einen großen Koffer in mein Zimmer und stellte ihn auf den leeren Platz für das Gepäck. »Der ist gestern Abend für Sie gekommen.«
    »Warten Sie!« Ich ließ die Tür los und wickelte mich so fest wie möglich in meinen Hotelbademantel. »Das ist nicht mein Koffer.«
    »Nein ...« Er zog das Tuch aus seiner Brusttasche und wischte sich eine Schweißperle von der Stirn. »Contessa Salimbeni hat ihn geschickt. Hier, sie hat eine Nachricht für Sie beigelegt.«
    Ich griff nach dem Blatt. »Was genau ist eine contessa?«
    »Normalerweise«, erklärte Direttor Rossini mit einer gewissen Würde, »trage ich kein Gepäck. Aber für Contessa Salimbeni ...«
    »Sie leiht mir ihre Sachen?« Ungläubig starrte ich auf Eva Marias kurzen, handgeschriebenen Brief. »Und Schuhe?«
    »Bis Ihr eigenes Gepäck eintrifft. Es ist inzwischen in Frittoli. «
    Eva Maria warnte mich in ihrer vornehmen Handschrift, dass ihre Sachen mir unter Umständen nicht perfekt passen würden. Trotzdem, schloss sie, wäre es immer noch besser, als nackt herumzulaufen.
    Während ich ein Kleidungsstück nach dem anderen aus dem Koffer nahm und inspizierte, war ich froh, dass Janice mich nicht sehen konnte. In dem Haus, in dem wir unsere Kindheit verbracht hatten, war kein Platz gewesen für zwei Modegöttinnen, so dass ich mich - sehr zu Umbertos Bedauern - für eine Karriere als das genaue Gegenteil entschieden hatte. In der Schule heimste Janice ihre Komplimente von Freundinnen ein, deren Leben von Designernamen bestimmt wurden. Wenn mich mal andere Mädchen bewunderten, dann nur deswegen, weil sie wie ich zu dem Laden getrampt waren, in dem gespendete oder gebrauchte Klamotten zu günstigen Preisen für wohltätige Zwecke verkauft wurden, dann jedoch nicht die Vorstellungskraft und den Mut besessen hatten, zu kaufen, was ich kaufte, und die Sachen entsprechend zu kombinieren. Wobei ich durchaus nichts gegen schöne Kleidung hatte, ich wollte Janice bloß nicht das Gefühl geben, dass mir doch etwas an meinem Aussehen lag. Diese

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