Julias kleine Sargmusik
erzählt, was ein Geisterjäger alles macht, bevor er zum Dienst fährt, da würden andere die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.«
»Du vergisst, dass mein Dienst schon begonnen hat.«
»Mit Lippenstift.«
In den nächsten zwanzig Minuten strafte ich meinen Partner mit Verachtung. Zudem musste ich auf den Verkehr achten, der besonders am Montag sehr dicht durch London rollte. Wir fuhren fast Stoßstange an Stoßstange, und es wurde erst besser auf der breiten Kensington Road, die am Südende des Hyde Parks entlang führt.
»Weißt du genau, wo das Hospital liegt?« fragte mich Suko. Ich nickte.
»Dann kann ich ja etwas die Augen zumachen.«
»Meinetwegen.«
Wenig später ärgerte ich ihn, als ich stark bremste. Suko wurde in seinem Gurt nach vorne geschleudert und schaute sich verwirrt um.
»Bist du irgendwo gegen gefahren?«
»Nein, aber wir sind da.«
Das St. Mary Abbot Hospital war ein sehr großer Komplex, der aus zahlreichen Häusern bestand. Er lag eingebettet inmitten einer Parklandschaft und war von drei Straßen aus zu erreichen. Wir fuhren auf einen großen, baumbestandenen Innenhof, wo auch die Parkplätze lagen und wir unseren Wagen abstellen konnten.
An der Anmeldung bedeutete man uns, einen Augenblick zu warten. Aus dem Augenblick wurden fast zehn Minuten, bis eine resolut aussehende Oberschwester erschien, ihren Adlerblick anknipste und den großen Busen mit der weißen Schürze darüber vorstreckte.
»Sie möchten also Mrs. Featherhead abholen«, stellte sie fest.
»Sehr richtig«, erwiderte ich und zeigte meinen Ausweis.
»Dann kommen Sie mal mit.«
Wir gingen zu einer der Aufzugtüren. Ich fragte die Schwester, ob es etwas Besonderes mit Mrs. Featherhead gegeben hätte.
»Wie meinen Sie das?«
»War sie anders als die normalen Kranken?«
»Ja, sie war seelisch krank und redete sehr viel von Dingen, die für mich unverständlich sind. Untersuchungen haben festgestellt, dass sie im Prinzip normal ist, deshalb auch die schnelle Entlassung. Sie muss ein schlimmes Erlebnis gehabt haben.«
Ich nickte.
In die zweite Etage mussten wir. Die Patientin fanden wir nicht in einem Krankenzimmer, sondern im Warteraum. Sie drehte sich um, als wir das weißgestrichene Zimmer betraten.
Im ersten Augenblick glaubte ich, Sarah Goldwyn gegenüberzustehen. Bei näherer Betrachtung allerdings verwarf ich diesen Gedanken wieder. Mrs. Featherhead trug keine Ketten um den Hals, ihr Gesicht war auch anders. Schärfer geschnitten, und die Augen blickten wesentlich misstrauischer. Der Klang der Stimme hörte sich leicht giftig an, als sie uns begrüßte. »Sie sind also die beiden Polizisten, die mich nach Mullogh schaffen sollen?«
»In der Tat, Mrs. Featherhead.«
»Und dann?«
»Werden wir sehen.«
Wir sagten unsere Namen. Auf Suko ruhte ihr Blick ein wenig länger.
»Ich merke, Scotland Yard wird allmählich international. Kein Wunder, unsere Leute wollen ja nicht mehr arbeiten.«
Ich musste mir ein Grinsen verbeißen. So hatte noch niemand die Anwesenheit meines Freundes Suko beim Yard kommentiert.
»Ich werde mich bemühen, Sie nicht zu enttäuschen«, sagte der Inspektor, wobei er höflich lächelte.
Sie winkte ab. »Mit Polizisten habe ich in letzter Zeit meine Erfahrungen gesammelt, und nicht allein gute.«
»Vielleicht ändern Sie diese Meinung.« Suko ging vor und griff die Tasche der Frau, die sich von der Oberschwester verabschiedete.
»So, Sie alter Drachen«, sagte sie tatsächlich. »Da haben wir beide uns ja lange genug geärgert. Ich hoffe, Sie besuchen mich mal in Mullogh.«
»Das werde ich.«
»Wir können«, sagte Mrs. Featherhead zu mir gewandt. »Je schneller, um so besser.«
Diese Frau machte mir überhaupt nicht den Eindruck einer Kranken. Sie war ziemlich resolut, und ich glaubte fest daran, dass sie sich nicht getäuscht hatte und keine Spinnerin war. Wir würden sehen. Im Wagen verstauten wir unser Gepäck. Ich fuhr, Suko saß neben mir, und Mrs. Featherhead hatte auf dem Rücksitz ihren Platz gefunden, wobei sie noch etwas über den Wagen sagte, was ich nicht verstand. Den Weg hatte ich mir zuvor gemerkt. Wir würden zunächst in Richtung Brighton fahren und dann nach Osten abbiegen.
Noch in London begann sie zu erzählen. Ihr Bericht hörte sich an wie ein fantastisches Märchen, doch sie erzählte so plastisch und sicher, dass sie uns mit ihren Worten vom Wahrheitsgehalt der Erlebnisse überzeugte. Nein, die Frau war keine Spinnerin. Und mit dem Erbe von
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