Julias kleine Sargmusik
Bresche.
Ich vernahm seltsame Geräusche. Ein Splittern hörte ich ebenfalls und sah plötzlich etwas in der Luft, das in mir verdammt unangenehme Erinnerungen weckte.
Kleine, dünne Fäden, zu vergleichen mit Spinnweben, bewegten sich vor meinen Augen. Ich wusste, wie gefährlich sie waren. Diese Fäden konnten sich auf der Haut eines Menschen festsetzen und diese grausam zerschneiden. Da hielt auch keine Kleidung, denn durch sie drangen sie ebenfalls.
Mir wurde es im Hals allmählich trocken, wenn ich daran dachte, dass sie sich auch um meine Kehle wickeln konnten.
War Kara schnell genug, um mich retten zu können? Ich besaß nichts, was die Fäden aufhalten konnte.
In der Düsternis waren sie mehr zu ahnen. Ich hatte mich schon geduckt und den Kopf eingezogen, denn ich wollte ein möglichst kleines Ziel bieten.
Sie wehten lautlos heran. Im fallenden Regen noch schlechter als sonst zu erkennen, und die ersten Fäden erreichten mich bereits. An der linken Wange spürte ich den Hauch einer Berührung, der bald von einem leichten Schmerz abgelöst wurde.
Da hatte es mich erwischt. Ich ging noch weiter zurück und merkte, dass ich in den Schleim getreten war.
Verdammt, jetzt hatten sie mich! »Kara!«
»Ich komme, John!«
Ihre Stimme klang lauter. Für mich ein Zeichen der Hoffnung, dass sie sich ziemlich weit meinem Standort genähert hatte. Dann sah ich sie. Sie tauchte inmitten der in der Luft schwebenden Fäden auf. Kara schwang ihr Schwert. Mit jedem Schlag erwischte und zerteilte sie die mörderischen Fäden, so dass diese keine Gefahr mehr bilden konnten.
Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Und auch der Schleim verschwand. Die Magie des Schwertes sorgte dafür. Ich hörte nicht nur Karas Schritte, sondern auch das Platzen und Brechen. Für mich ein Beweis, dass sich der Schleim in Glas verwandelt hatte, das nun verging.
Ich war gerettet!
Kein Faden schwebte vor meinem Gesicht. Als Erbe hatten sie ein paar Blutstropfen auf meiner Wange hinterlassen.
Tief atmete ich durch. Kara berührte meine Hand. »Keine Sorge«, sagte sie, »wir schaffen es.«
Ich nickte ihr zu. »Das war wirklich Rettung kurz vor dem Niedergang. Gegen diese Magie habe ich keine Waffe.«
»Aber ich«, erwiderte sie lächelnd.
»Sicher, du hast es gut.«
»Du auch, John!«
»Wieso?«
»Hier!« Sie streckte ihren Arm aus und drückte mir den Griff des Schwertes in die Hand. »Nimm es, geh und stell dich der Person, die sich für alles verantwortlich zeigte.«
Meine Augen wurden groß. »Du meinst, ich soll Julia Landers…«
»Ja, trägt sie nicht die Schuld?«
»Natürlich.«
»Dann tu, was du tun musst.«
Ich schluckte. Kalt rann es über meinen Rücken. »Ja«, sagte ich. »Ich werde zu ihr gehen…«
***
Und ich ging. Ihr Spiel wies mir den Weg. Aber nicht nur das, auch ihre Schreie, denn Julia schien bemerkt zu haben, dass einiges schiefgegangen war. Die Töne, die sie ausstieß, hörten sich ganz so an, als stünde sie dicht davor, durchzudrehen.
Unangefochten war ich an der Mauer vorbeigekommen, hatte einen weiteren Pfad erreicht, der in die Hauptstraße von Mullogh mündete. Dort stand sie.
Ich hatte sie in ihrem Zimmer gesehen. Jetzt entdeckte ich sie wieder. Verändert hatte sie sich nicht. Nur mehr ihre Kleidung war durch den langen Regen zu einem feuchten Lappen geworden, der fest an ihrem Körper klebte.
Sie stand leicht geduckt da, der Bogen tanzte über die Saiten. Das Instrument produzierte die schrillsten Töne. Julia warf den Kopf auf und nieder, so dass die nassen, strähnigen Haare von einer Seite auf die andere flogen.
Ich kam noch näher an sie heran. Gesehen hatte sie mich nicht. Rechts von mir befand sich der Schleimberg. Bei einem schnellen Blick in seine Richtung stellte ich fest, dass er immer mehr zusammensackte. Dafür mussten der Eiserne Engel und vielleicht auch Myxin sorgen. Ich konnte mich um Julia kümmern.
Nur mehr wenige Schritte trennten mich von ihr, noch hatte sie mich nicht entdeckt, ich ging weiter und kam so dicht an die Spielende heran, dass ich sie schon fast mit dem ausgestreckten Schwert hätte berühren können.
Da sah sie mich! Sie erstarrte inmitten des Spiels, schaute mir ins Gesicht und ließ das Instrument sinken.
»Was willst du?« schrie sie mir entgegen.
»Ich bin gekommen, um mit dir abzurechnen, Sarina«, erwiderte ich…
Zuerst verstand sie nicht oder wollte mich nicht verstehen. Sie begann zu lachen. »Du willst mit mir abrechnen?«
»So habe ich es dir
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