Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jung genug zu sterben

Jung genug zu sterben

Titel: Jung genug zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Liemann
Vom Netzwerk:
sie.
    Es dauerte vierzig Minuten, einen empörten Schrei von Lascheter und das Erscheinen eines besorgten Ehepaares aus Brusio, bevor Jenissej in einem abseits gelegenen »Iglu« ein Scharren hörte.

64
    Im Restaurant der Alp Grüm loderten die Flammen unter den Töpfen. In dem einen von ihnen blubberte Käse, und der Dampf, der aufstieg, roch nach Kirschwasser, in dem anderen schäumte goldenes Fett und wartete darauf, dass kalte, saftige Hühnchenstücke hineingehalten wurden. Überall auf der Tafel standen Näpfe mit Soßen und Gemüse. Die Sektgläser waren halb geleert.
    »Kann ich Nudeln mit Tomatensoße haben?«, fragte Lena.
    »Lena!« Jenissej schüttelte den Kopf.
    »Selbstverständlich«, sagte die Geschäftsführerin.
    Pia rührte den Fonduekäse um. »Lena, du verpasst das beste Fondue aller Zeiten.«
    »Ich kann das verstehen«, sagte die Geschäftsführerin. »Extra viel Ketchup?«
    Lena sah vorsichtig zu Jenissej und nickte.
    Jetzt keinen Familienzoff, dachte Melina. »Was haben die im Krankenhaus gesagt? Ist alles okay?«
    Lenas linker Arm war bandagiert. Die Krücken lehnten hinter ihr an der Holztäfelung. Über die Wange zog sich ein weiß gepolsterter Kissenverband. Die Narbe an der Stirn war schorfig und schien schnell zu heilen. Die zuvor blau gefärbten Haarsträhnen waren ausgeblichen und wirkten beinahe weiß.
    »Nichts gebrochen. Keine Blutvergiftung. Wird schon wieder.«
    »Knochensplitter in der Hüfte, genageltes Knie und eine saftige Gehirnerschütterung«, korrigierte Pia.
    »Jedenfalls keine dauerhaften Schäden«, sagte Lena kalt.
    »Haben sie dich geröntgt?«, wollte Jenissej wissen.
    »Ja. Aber ich habe mich geweigert, in eine Röhre zu gehen. Das können die vergessen, das mache ich nicht mehr.«
    Melina nickte. »Nachvollziehbar.«
    »Die wollten gleich ’ne CT, aber ich habe abgelehnt.«
    Der Kellner brachte einen Löffel für Lena und legte ihn neben ihre Gabel. Dann kam die Geschäftsführerin mit dem Pastateller.
    »Das ging schnell«, bemerkte Jenissej.
    »Nudeln haben wir immer auf Lager.
Für unsere kleinen
Gäste
.« Sie blinzelte Lena zu. Die Portion Spaghetti mit roter Soße und Basilikumaroma reichte Lena bis ans Kinn. Sie nahm die Gabel, sagte nichts und ging ans Werk.
    »Ich habe mir deine Filme als zusammengeschnittenes Werk angesehen«, sagte Melina, die ihr beim Essen zusah. »Mich hätte es ehrlich gesagt nicht auf die Crotti neben den Gleisen gebracht.«
    »Sehr kunstvoll gemacht«, lobte Jenissej.
    »Sie ist eben deine Tochter«, sagte Pia.
    Lena stoppte die pastaumwickelte Gabel vor ihrem Mund und zischte leise: »Peinliches Palaver.«
    »Eltern sind peinlich«, sagte Jenissej, der Pias Blick nicht sehen konnte, als er das sagte.
    »Hattest du keine Angst, dass deine Rätselbilder zu kompliziert sind und dich keiner findet?«
    Lena zuckte nur mit der Schulter.
    »Sie kennt ihren Vater«, sagte Pia.
    »Lena, übrigens, ich habe erst gedacht, du willst auf die Sphärenharmonik heraus. – Was guckst du so? Erinnerst du dich nicht? Hm. Na gut, da war ich auf dem Holzweg.«
    »Ich verstehe schon, dass Lena es gut verschlüsselnwollte«, sagte Pia. »Jenissej ist einfach zu impulsiv. Er hätte sofort alle Übeltäter der Welt darauf aufmerksam gemacht, wo Lena steckt, und die wären ihm zuvorgekommen. Ihr habt es gesehen, wie er im Grunde der Lockvogel war für diese Glatze Lascheter!«
    »Ich bin jedenfalls froh«, sagte Jenissej donnernd, »dass Lena wieder da ist und dass es ihr so halbwegs gut geht! Außerdem – ihr habt es gehört – haben die Behörden den Verdacht fallen lassen, sie hätte diesen Schweizer Doktor Brogli umgebracht.«
    Die Geschäftsführerin hatte mitgehört. »Oh, das freut mich. Wer war es denn?«
    »Dr.   Fogh wurde von Augenzeugen gesehen«, sagte Melina. »Und jetzt, da Fogh tot ist, kennt man seine DNS in- und auswendig. Davon war einiges am Tatort.«
    »Derselbe Mann, der Riccarda getötet hat? Mein Gott!«
    »Ja«, sagte Melina. »Aber immerhin: Er ist tot. – Christine allerdings leider auch   … «
    Jenissej deutete auf die Gläser und gab dem Kellner ein Zeichen. »Ich möchte jetzt noch einmal das Glas erheben und eine weitere Heldin mit euch ehren – Melpomene! Ohne sie hätte ich Lenas Datei nicht ernst genommen, ich wäre   … « Es wirkte, als sei er zum ersten Mal sprachlos. Aber das war es nicht, was ihn am Sprechen hinderte. Er wartete auf den neuen Sekt und räusperte sich. »Jedenfalls   … auf dich,

Weitere Kostenlose Bücher