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Jungs sind keine Hamster

Jungs sind keine Hamster

Titel: Jungs sind keine Hamster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmeißer
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ordentlichste Mensch, den ich kannte. Ihr Zimmer sah immer so aus, als käme gleich die Queen von England auf eine Tasse Tee und Gebäck vorbei. Lore brauchte das. Als Gegenpart zum Chaos vor ihrer Tür. Lore setzte sich aufs Bett.
    „Schwesterherz, ich hab ein Problem“, ächzte sie.
    Ich setzte mich neben sie. „Lass mich raten: Es geht um Thomas?“
    Sie ließ sich rücklings aufs Bett fallen. Ich verstand.
    „Es geht also um Thomas. Was ist denn jetzt schon wieder passiert?“
    Lore griff sich ihr Kopfkissen und knallte es sich aufs Gesicht.
    Ich hob das Kissen etwas an.
    „Was ist los?“
    Meine Aufgabe lautete bei solchen Gesprächen grundsätzlich: Ruhe bewahren und beschwichtigen, dass alles nicht so schlimm ist. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass Ruhe bewahren und beschwichtigen für gewöhnlich nicht meine größten Talente sind. Aber wenn es um Lore und Thomas ging, blieb mir gar nichts anderes übrig. Einmal war ich ebenfalls auf hundertachtzig und auf Vergeltung aus gewesen. Mit dem Resultat, dass wir anschließend zwei Tage mit Rauchvergiftung im Krankenhaus lagen. Zwei hysterische, komplett am Rad drehende Mädels sind kein gutes Team. Zumindest eine von beiden sollte immer auch ihren Verstand benutzen. Mädels haben ja wenigstens einen.
    „Es ist vorbei. Ich hab alles versaut.“ Lore sah mich mit traurigen Augen an und ich spürte, dass ich ihr gerne von meinen Problemen erzählt hätte. Dass mir Barbie mein Zimmer klauen wollte und meine Mutter auf ihrer Seite stand. Lore war eine gute Zuhörerin. Aber eben nicht, wenn sie den Beziehungsalarm läutete.
    Lore und Thomas waren beide in meiner Klasse und Lore ging schon eine Ewigkeit mit Thomas. Fast drei Monate. Und in dieser Zeit hatten sie sich mindestens schon zwanzigmal getrennt. Mal heulend, mal schreiend, aber immer hoch dramatisch.
    Jede klitzekleine Kleinigkeit brachte die beiden in Rage und kurzfristig auseinander. Ein um wenige Minuten verspäteter Anruf. Ein zu langer Blick in Richtung irgendwelcher hübschen Menschen. Es war nicht einfach.
    Es gibt Tausende von möglichen Gründen, sich zu trennen. Man muss sie nur finden. Und Lore und Thomas waren im Problemefinden spitze wie Pfadfinder im Pfadefinden.
    Eifersucht ist ein Beziehungskiller! Das wussten beide, aber sie kamen einfach nicht gegen ihren Wahnsinn an. Dabei war Lore eigentlich sehr vernünftig und schon ziemlich erwachsen. Zu Hause trug sie eine Menge Verantwortung, weil ihr Vater als Lkw-Fahrer ständig auf Achse und ihre Mutter mit fünf Jungs im Haus alleine etwas überfordert war. Aber sobald Thomas ins Spiel kam, war sie schlagartig so vernünftig wie eine Dreijährige, die mit einem Ventilator spielen will. Thomas war eben kein kleiner Bruder. Den konnte sie nicht einfach ins Bett schicken oder mit Fernsehverbot bestrafen, wenn ihr was nicht passte. Und sie konnte Thomas auch nicht mit Süßigkeiten bestechen oder mit Pippi-Langstrumpf-Vorlesen besänftigen.
    „Was genau ist passiert?“
    „Mona, die Schlampe, ist passiert“, zischte Lore.
    Mona Wetterau war ebenfalls bei uns in der Schule. Allerdings ging sie bereits in die Neunte.
    „Was hat sie gemacht?“
    „Am Samstag ist doch die Kostümparty. Im Beachclub.“
    Ich nickte nur. Die Halloweenparty fand bereits zum dritten Mal im Beachclub unseres Schwimmbads statt und ich durfte zum dritten Mal nicht hin. Die letzten beiden Jahre, weil ich noch nicht alt genug war, und dieses Jahr, weil mich keiner leiden konnte. Zwar gab es keine offiziellen Einladungen, dafür aber eine Nichtgästeliste, auf der alle standen, die nicht reindurften. Lore und ich standen drauf. Ich hätte mein ganzes Erspartes dafür gegeben, wenn mir das egal gewesen wäre. Aber ich muss gestehen, dass es mir jedes Mal einen kleinen Stich ins Herz versetzte, wenn über die Party geredet wurde. Wie sehr man sich darauf freue. Dass man es gar nicht abwarten könne. Oder nach der Feier: wie klasse, wie legendär und unschlagbar super die Party gewesen sei. Ich stand dann immer blöd daneben und tat so, als würde ich Kostümpartys albern finden. Als wäre mir alles egal.
    Organisiert wurde die Party von Thomas, Jutta, Micha und eben Mona, dem Mädel mit dem größten Jungsverschleiß der ganzen Schule.
    „Mona!“, zischte Lore. „Dieses Biest hat Thomas verboten, mich zur Party mitzunehmen.“ Lore schlug wütend auf ihr Bett.
    „Und warum?“, fragte ich.
    „Angeblich, weil ich immer und überall Ärger mache“, erklärte Lore.

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