Jura für Kids - eine etwas andere Einführung in das Recht
dass ein Gesetz unwirksam ist, wenn es gegen ein Grundrecht verstößt.
Zum Glück ist der deutsche Gesetzgeber, der Bundestag, nicht dumm. Er prüft einen Gesetzesentwurf sehr genau, bevor er ihn als Gesetz erlässt. Daher berät er ihn dreimal und nicht nur einmal. Und trotzdem kommt es vor, dass das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz aufhebt, weil es gegen das Grundgesetz verstößt. Nur liegt es in solchen Fällen nicht so auf der Hand wie in dem folgenden, ausgedachten Fall:
G esetz zum schnelleren F ahren von M ännern auf A utobahnen (GFMA) :
1. Männer dürfen auf Autobahnen schneller fahren als Frauen.
2. Männer dürfen die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 20 km/h überschreiten. Frauen dürfen dies nicht.
Der Gesetzgeber begründet das Gesetz damit, dass Männer gerne schneller Auto fahren als Frauen. Für Männer sei es sehr viel schwieriger, die zulässige Geschwindigkeit einzuhalten, weshalb sie öfter Bußgelder bekommen als Frauen. Das sei nicht gerecht.
Dieses Gesetz verstößt gegen Artikel 3 GG: «Männer und Frauen sind gleichberechtigt.» Männer dürfen nicht besser behandelt werden als Frauen, und Frauen dürfen nicht besser behandelt werden als Männer. Das GFMA behandelt aber Männer besser als Frauen, weil es den Männern erlaubt, schneller zu fahren als die Frauen. Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen sollen die Autobahnen sicherer machen und verhindern, dass es viele Unfälle gibt. Dabei spielt es aber keine Rolle, ob ein Mann oder eine Frau am Steuer sitzt. Ein solches Gesetz verstößt gegen das Grundgesetz und ist verfassungswidrig.
Obwohl der Gesetzgeber sich bei seinen Gesetzen sehr bemüht, an alles zu denken, kommt es doch manchmal vor, dass ein Gesetz gegen das Grundgesetz verstößt. Dies war beim «Nichtraucherschutzgesetz» der Fall:
Fall 2: «Rauchverbot»
Der Gesetzgeber hat ein «Nichtraucherschutzgesetz» erlassen. Danach darf in Kneipen nicht mehr geraucht werden. Denn Rauchen ist für alle schädlich – für die Raucher und für diejenigen, die den Rauch einatmen. Allerdings lässt der Gesetzgeber eine Ausnahme zu: Hat eine Kneipe zwei Räume, darf es einen «Raucherraum» geben. Wer rauchen möchte, geht dorthin, wer nicht rauchen möchte, geht in den «Nichtraucherraum».
Paul Fritzemeier betreibt die «Blaue Blume», eine kleine Kneipe, die nur einen Raum hat. Seitdem das Rauchverbot gilt, bleiben Fritzemeier die Gäste weg. Bald kann er die «Blaue Blume» zumachen. Seine früheren Gäste gehen jetzt in den «Hafersack». Der «Hafersack» ist größer, hat zwei Räume, und wer rauchen möchte, raucht im «Raucherraum», wer nicht rauchen möchte, trinkt im «Nichtraucherraum» sein Bier. Paul Fritzemeier klagt vor dem Bundesverfassungsgericht. Er findet das ungerecht, da er seinen Laden bald zumachen muss.
Das Bundesverfassungsgericht gibt Paul Fritzemeier Recht. Das «Nichtraucherschutzgesetz» verstoße gegen die Berufsfreiheit (Artikel 12 GG): Es sei ungerecht, dass die kleinen Kneipen pleite gehen und die großen überleben. Entweder, der Gesetzgeber verbiete generell, dass in Kneipen geraucht werde. Dann dürfe weder in den großen noch in den kleinen Kneipen geraucht werden. Oder der Gesetzgeber erlaube das Rauchen in allen Kneipen. In den großen Kneipen könnten die Nichtraucher in den «Nichtraucherraum» gehen, und in den kleinen Kneipen müsse der Schutz der Nichtraucher anders erreicht werden. Zum Beispiel durch ein Zutrittsverbot von Kindern, damit zumindest junge Menschen nicht durch den Rauch geschädigt werden. Jedenfalls dürfe es nicht sein, dass die kleinen Kneipen schließen müssen, während die großen überleben.
Das Bundesverfassungsgericht darf dieses falsche Gesetz nicht ändern. Es ist ja nicht der Gesetzgeber. Aber es darf zum Gesetzgeber sagen: «Euer, Nichtraucherschutzgesetz’ verstößt gegen das Grundgesetz. Ihr habt zu wenig an die Gastwirte kleinerer Kneipen gedacht, die gehen nämlich pleite. Das müsst ihr ändern. Ich gebe euch ein Jahr Zeit, das Gesetz zu ändern, so dass es nicht mehr gegen das Grundgesetz verstößt.»
Urteil vom 16. November 2007 (1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/07, 1 BR 906/08)
III. Nur der Staat darf bestrafen
Manchmal hört man den Satz «Wie du mir, so ich dir.» – Wenn du mich schlägst, schlage ich zurück. Wenn du mir Geld wegnimmst, nehme ich dir auch Geld weg. Wenn du mein Fahrrad kaputt machst, mache ich auch dein Fahrrad kaputt. Darf man das?
1. Rache und Selbstjustiz
Weitere Kostenlose Bücher