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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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meine Cola einschenkte, nahm ich die Gegenwart des Mädchens hinter mir wahr wie etwas physisch Schweres. Ich konzentrierte mich darauf, meine beiden Dollarnoten auf dem Glas der Theke so glatt wie möglich zu streichen. Nachdem ich bezahlt hatte, ging ich davon, tunlichst ohne ein einziges Mal von dem rauen Zementweg aufzublicken; lief um das tiefe Ende des Beckens herum zu unserem Platz, wo meine beste Freundin, Clarke Reynolds, auf mich wartete.
    »Whitney ist schon los, nach Hause«, sagte Clarke und putzte sich die Nase. Vorsichtig stellte ich meinen Becher Cola neben meinem Liegestuhl auf der Erde ab. »Ich habe gesagt, dass wir laufen.«
    »Okay«, antwortete ich. Meine Schwester Whitney hatte seit Kurzem ihren Führerschein und damit die Aufgabe, mich rumzukutschieren. Machte sie meistens allerdingsnur hin. Das Zurückkommen überließ sie mir, egal ob vom Freibad   – von dem man bequem zu Fuß gehen konnte   –, oder dem Einkaufszentrum im nächsten Ort (nichts mit bequem zu Fuß gehen). Schon damals war Whitney eine echte Einzelgängerin. Die Welt bestand quasi aus ihrer Privatsphäre; selbst wenn man ihr nicht total dicht auf die Pelle rückte, drang man also bereits ein.
    Erst nachdem ich mich wieder hingesetzt hatte, gestattete ich mir einen Blick zu dem Mädchen im orangefarbenen Bikini. Sie stand mittlerweile auch nicht mehr an der Snackbar, sondern gegenüber von uns auf der anderen Seite des Schwimmbeckens und sondierte die Lage an der Liegestuhlfront. In der einen Hand hielt sie ihren Becher, über ihrem anderen Arm hing ihr Handtuch.
    »Hier.« Clarke gab mir das Kartenspiel, das sie in der Hand hielt. »Du bist dran mit Geben.«
    Clarke war meine beste Freundin, seit wir sechs gewesen waren. Zwar lebten in unserem Viertel jede Menge Kinder, aber aus irgendeinem Grund waren die meisten entweder Teenager   – wie meine Schwestern   – oder vier Jahre alt und jünger, wofür es allerdings einen Grund gab: Babyboomer-Nachwuchs. Kurz nachdem Clarkes Familie aus Washington D.C. hergezogen war, lernten unsere Mütter sich bei einem Meeting der Nachbarschaftshilfe kennen. Sobald ihnen klar wurde, dass wir gleich alt waren, steckten sie uns zusammen. Und so war es bis heute geblieben.
    Die Reynolds hatten Clarke mit sechs Monaten adoptiert; sie kam ursprünglich aus China. Wir waren gleich groß, doch mehr Ähnlichkeiten gab es zwischen uns nicht. Ich war mit meinen blonden Haaren und blauen Augen eine typische Greene, wohingegen niemand auf der ganzen Welt so dunkle, glänzende Haare und braune, fast schwarzeAugen hatte wie Clarke. Ich war schüchtern und wollte es immer allen recht machen; Clarke trat schon als kleines Mädchen richtig seriös auf, war ernsthaft und nachdenklich, sowohl was ihr Äußeres, als auch was Persönlichkeit und Verhalten betraf. Genau wie meine Schwestern hatte ich gemodelt, seit ich denken konnte. Clarke dagegen war ein jungenhafter Typ, beste Fußballerin in unserer Straße und meisterhafte Kartenspielerin, vor allem Canasta. Ich hatte den ganzen Sommer über noch kein einziges Spiel gewonnen.
    »Kann ich einen Schluck von deiner Cola haben?«, fragte sie mich und nieste. »Ganz schön heiß hier.«
    Ich nickte und beugte mich vor, um ihr meinen Becher zu geben. Clarke litt das ganze Jahr über unter Allergien, aber im Sommerhalbjahr wurde es am schlimmsten. Von April bis Oktober war ihre Nase entweder verstopft oder tropfte, sie musste sich ununterbrochen schnäuzen und nichts schien zu helfen, egal, wie viele Pillen sie schluckte oder Spritzen sie bekam. Ich war das alles seit Langem gewohnt: ihre näselnde Stimme, die unvermeidliche Packung Papiertaschentücher in ihrer Hand   …
    In unserem Freibad existierte eine streng geregelte, hierarchische Sitzordnung: Die Bademeister saßen an den Picknicktischen in der Nähe der Snackbar, die Mütter mit kleinen Kindern hockten um den flachen Teil des Beckens herum beziehungsweise am Nichtschwimmer-, auch genannt Pipibecken. Clarke und ich zogen uns am liebsten in den Halbschatten hinter den Schaukeln zurück, während die männlichen Stars von der Highschool in der Nähe des Sprungturms abhingen, darunter Chris Pennington, drei Jahre älter als ich und mit Abstand der bestaussehende Typ sowohl im ganzen Viertel als auch   – wie ich damalsfand   – der ganzen Welt. Die optimale und entsprechend beliebteste Stelle zum Sonnenbaden waren die Liegestühle, die säuberlich nebeneinander zwischen der Snackbar und der

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