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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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natürlich trotzdem, wenn sie sauer war. Merkte es an ihrem Gesichtsausdruck, ihren zu schmalen, harten Schlitzen verengten Augen, den bedeutsamen, schweren Seufzern, die einen so fertigmachen, ja demütigen konnten, dass jedes noch so scharfe Wort erträglicher gewesen wäre. Da Kirsten und Whitney bloß zwei Jahre auseinander waren, hatten sie ziemlich häufig Zoff. Nun hätte man natürlich meinen können, so ein Streit wäre eine ziemlich einseitige Angelegenheit; denn alles, was man zunächst vernahm, war Kirstens Stimme, die Vorwürfe und Beleidigungen abfeuerte wie ein Maschinengewehr. Hörte man allerdings genauer hin, nahm man die Pausen zwischendrin wahr, wenn Whitney schwieg, versteinert, anklagend schwieg; und die wenigen kritischen Bemerkungen, die sie machte, waren immer viel treffender und letztlich kränkender als Kirstens endlose Tiraden.
    Die eine offen, die andere verschlossen. Wenn ich an meine Schwestern dachte, kamen mir als erstes Bild immer zwei Türen in den Sinn. Was echt nicht verwunderlich war. Mit Kirsten assoziierte ich unsere Haustür. Sie schien   – in der Regel von ihrer halben Clique umschwirrt   – immer entweder gerade zu kommen oder zu gehen; ihre Sätze brachen mittendrin ab oder fingen irgendwo an. Die Whitney-Tür hingegen war Whitneys eigene Schlafzimmertür, die sie am liebsten permanent geschlossen hielt, als Barriere zwischen sich und uns.
    Und ich? Ich kam mir vor wie im Niemandsland zwischen meinen beiden Schwestern und ihren starken Persönlichkeiten; als wäre ich das lebende Symbol für die tiefe Kluft, die sie trennte. Ich war weder mutig und extrovertiert noch schweigsam und berechnend. Ich hatte keine Ahnung, wie jemand anderer mich beschreiben würde oder was für einen Menschen man mit meinem Namen verband. Ich war einfach bloß Annabel.
    Harmoniesüchtig wie sie war, konnte meine Mutter es nicht ausstehen, wenn meine Schwestern sich stritten. »Könnt ihr nicht
nett
miteinander sein?«, bat sie in solchen Momenten flehentlich. Die beiden verdrehten vermutlich bloß die Augen, aber für mich kam dabei eins ganz klar und deutlich rüber: Dass Nettsein der ideale Zustand war. Denn nur dann brüllten Leute nicht rum oder wurden so still, bis man regelrecht Angst bekam. Wenn es einem gelang, nett zu sein, nichts weiter, war man aus dem Schneider. Denn dann hatte man mit dem Problem, sich wegen irgendetwas streiten zu müssen, nichts mehr zu tun. Allerdings war immer nett sein gar nicht so leicht, wie man vielleicht hätte denken können, vor allem deshalb nicht, weil der Rest der Welt so ätzend und fies sein konnte.
    Als ich zur Snackbar kam, war Kirsten   – klar   – schon weg. Doch das Mädchen stand noch da und wartete darauf, dass sie ihren Schokoriegel bei dem Typen an der Kasse bezahlen konnte.
Na gut
, dachte ich, während ich auf sie zuging.
Dann wollen wir mal; mir bleibt sowieso nichts anderes übrig.
    »Hallo«, sagte ich. Sie sah mich mit einem unergründlichen Gesichtsausdruck an. Schwieg. »Äh, ich heiße Annabel. Du bist gerade erst hergezogen, oder?«
    Sie schwieg immer weiter, es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Irgendwann trat Kirsten hinter ihr aus der Damentoilette und blieb stehen, als sie sah, dass ich mit ihr redete.
    »Ich   … äh«, fuhr ich fort und fühlte mich dabei zunehmend unbehaglich, »ich glaube, wir gehen in dieselbe Klasse.«
    Das Mädchen schob die Sonnenbrille ein Stück höher. »Ach ja?« In demselben scharfen, herablassenden Ton wie beim ersten Mal, als wir miteinander gesprochen hatten.
    »Ich dachte bloß«, sagte ich tapfer, »wo wir gleich alt sind, könnten wir doch, du weißt schon, ja, vielleicht würdest du gern mal was zusammen machen? Oder so?«
    Erneutes Schweigen. Schließlich antwortete das Mädchen, als hätte sie es nicht gleich richtig verstanden und müsste es erst klären: »Du möchtest, dass wir etwas zusammen machen. Also ich. Mit dir.«
    Aus ihrem Mund klang das so absurd, dass ich sofort begann zurückzurudern. »Ich meine, nur wenn du willst«, sagte ich. »Wie gesagt, ich dachte bloß   –«
    »Nein.« Sie unterbrach mich. Einfach so, zack. Legte den Kopf in den Nacken und lachte. »Nie im Leben!«
    Das war’s. Zumindest, wenn ich allein dort gewesen wäre. Dann hätte ich mich an dieser Stelle mit hochrotemKopf umgedreht. Wäre zu Clarke zurückgekehrt. Und Schluss. Aber ich war nicht allein dort.
    »Moment«, meinte Kirsten, laut. »Was hast du gerade gesagt?«
    Das Mädchen wandte

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