Just Listen - Roman
ersten, abgeteilten Bahn im Becken standen; dort saßen in der Regel nur die populärsten Mädchen aus unserer Highschool. Auch meine älteste Schwester Kirsten räkelte sich dort in einem knallpinken Bikini und fächelte sich mit einer Ausgabe von
Glamour
Luft zu.
Zu meiner Überraschung sah ich – nachdem ich gerade die Karten ausgeteilt hatte –, wie das Mädchen in Orange in Kirstens Richtung lief und sich in den Stuhl neben ihr legte. Auf Kirstens anderer Seite saß ihre beste Freundin, Molly Clayton, die Kirsten prompt am Arm stupste und zu dem Mädchen rübernickte. Kirsten blickte kurz auf, hob den Kopf, checkte ihre Nachbarin ab, zuckte die Achseln, ließ sich wieder in ihren Liegestuhl zurückfallen und schlang einen Arm über ihr Gesicht.
»Annabel?« Clarke hatte ihr Blatt bereits aufgenommen und wartete nur darauf, mich wieder mal zu besiegen. »Du fängst an.«
»Stimmt.« Ich drehte mich wieder zu ihr um.
Auch am nächsten Tag erschien das Mädchen im Schwimmbad, dieses Mal in einem silbernen Badeanzug. Als ich ankam, hatte sie es sich bereits mit ausgebreitetem Handtuch, Zeitschrift auf dem Schoß und einer Flasche Mineralwasser neben sich in dem Liegestuhl gemütlich gemacht, auf dem am Tag zuvor meine Schwester gesessen hatte. Clarke hatte gerade Tennisstunde, deshalb war ich allein, als meine Schwester und ihre Freundinnen etwa eine Stunde später eintrudelten – wie immer ein großer, lautstarker Auftritt; ihre Schuhe klatschten hörbar auf den Zement. Als sie ihren Stammplatz erreichten und das fremde Mädchenbemerkten, wurden sie langsamer, sahen einander an. Molly Clayton wirkte ziemlich genervt, aber Kirsten ging einfach vier Stühle weiter und schlug dort ihr Lager auf.
Auch in den folgenden Tagen beobachtete ich, wie die Neue systematisch und hartnäckig versuchte, sich in die Clique meiner Schwester hineinzudrängen. Was mit einem simplen Liegestuhlmanöver begonnen hatte, eskalierte am dritten Tag, indem sie sich gleichzeitig mit den anderen Mädchen an der Snackbar anstellte. Am Tag darauf sprang sie nur Sekunden nach ihnen ins Wasser und lungerte keinen halben Meter entfernt von ihnen am Beckenrand herum, während sie im Wasser rumplanschten und quatschten und einander bespritzten. Es wurde Samstag, es wurde Sonntag – sie folgte ihnen mittlerweile auf Schritt und Tritt, wie ein lebender Schatten.
Es war unter Garantie extrem nervig. Ich sah, wie Molly ihr ein paarmal giftige Blicke zuwarf; sogar Kirsten bat sie einmal, sich bitte nicht so dicht an sie ranzudrängeln, als sie am tiefen Ende des Beckens herumschwamm. Was das Mädchen allerdings nicht weiter zu stören schien. Im Gegenteil, sie heischte nun noch mehr um Beachtung, als wäre es vollkommen egal, was sie zu ihr sagten – Hauptsache, sie sprachen mit ihr, Punkt.
»Ich habe gehört, dass eine neue Familie in das Haus an der Sycamore Road eingezogen ist«, sagte meine Mutter eines Abends beim Essen, »da, wo früher die Daughtrys gewohnt haben.«
»Die Daughtrys sind weggezogen?«, fragte mein Vater.
Meine Mutter nickte. »Schon im Juni. Nach Toledo. Weißt du nicht mehr?«
Mein Vater überlegte kurz. »Stimmt«, sagte er schließlich und nickte. »Toledo.«
»Außerdem habe ich gehört«, fuhr meine Mutter fort und reichte dabei die Schüssel mit Spaghetti an Whitney weiter, die sie prompt zu mir rüberschob, »dass sie eine Tochter in deinem Alter haben, Annabel. Ich glaube, ich habe sie sogar schon mal gesehen, neulich, als ich bei Margie war.«
»Wirklich?«, meinte ich.
Meine Mutter nickte. »Sie hat dunkle Haare und ist ein bisschen größer als du. Vielleicht ist sie dir ja schon mal irgendwo hier in der Gegend über den Weg gelaufen.«
Ich überlegte einen Moment. »Keine Ahnung –«
Aber ich wurde von Kirsten unterbrochen: »Das muss
sie
sein!« Ihre Gabel landete mit einem vernehmlichen Scheppern auf dem Tisch, so abrupt legte Kirsten sie ab. »Die Stalkerin aus dem Schwimmbad. Ich hab’s geahnt! Ich
wusste
, dass sie jünger ist als wir, wesentlich jünger.«
»Moment.« Endlich hörte auch mein Vater richtig zu. »Im Schwimmbad gibt es einen Stalker?«
»Hoffentlich nicht«, sagte meine Mutter mit ihrer Ich-mache-mir-Sorgen-Stimme.
»Doch keine richtige Stalkerin«, meinte Kirsten. »Nur dieses Mädel, das immer um uns rumhängt. Ganz schön unheimlich, wie sie sich total dicht neben einen setzt, einem überallhin folgt und ständig mitschneidet, aber selbst keinen Ton sagt.
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