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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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versunken ging er hinter dem Deutschen her und dachte krampfhaft darüber nach, was er gesehen hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, was für eine Verbindung zwischen Lothar und Emíl bestand. Er hatte geglaubt, dass Emíl im Ausland lebte. Ansonsten wusste er kaum etwas über seine ehemaligen Kommilitonen aus Leipzig.
    Soviel er auch grübelte, er kam zu keinem Resultat. Schließlich beschloss er, Hannes aufzusuchen. Das hatte er schon einmal gemacht, direkt nachdem er aus der DDR zurückgekehrt war, um ihm von Ilona zu erzählen. Es konnte sein, dass Hannes etwas über Emíl und Lothar wusste.
    Lothar verschwand wieder im Haus an der Ægisíða. Er wartete eine Weile in angemessener Entfernung, bevor er sich auf den Nachhauseweg machte. Urplötzlich kam ihm dieser seltsame und unverständliche Satz des Deutschen in den Sinn, als sie sich das letzte Mal getroffen hatten:
    Sondier deine Umgebung.

Zweiunddreißig
    Als sie von Selfoss nach Reykjavík zurückfuhren, unterhielten sich Elínborg und Erlendur zunächst über das, was Hannes gesagt hatte. Es war Abend geworden, und auf dem Pass war nicht viel Verkehr. Aber dann wurde Erlendur schweigsam. Er dachte an den schwarzen Falcon. Es konnte damals wohl kaum viele davon auf Reykjavíks Straßen gegeben haben, obwohl der Falcon nach dem, was Elínborgs Mann Teddi ihm gesagt hatte, ziemlich beliebt gewesen sein musste. Er dachte auch an Tómas, dessen ungarische Verlobte in der DDR verschwunden war. Sie würden ihn bei allernächster Gelegenheit besuchen müssen. Ihm war aber immer noch nicht klar, welche Verbindung zwischen dem Skelett im See und den Leipziger Studenten in den sechziger Jahren bestand. Dann wanderten seine Gedanken zu Eva Lind, die unaufhaltsam dem Verhängnis entgegenschlitterte, und zu seinem Sohn Sindri, der für ihn wie ein Fremder war. All das ging ihm durch den Kopf, und es gelang ihm nicht, seine Gedanken zu ordnen. Elínborg blickte ihn von der Seite an und fragte, an was er dächte.
    »Nichts«, sagte er.
    »Irgendwas hast du doch«, sagte Elínborg.
    »Nein«, sagte Erlendur, »es ist nichts.«
    Elínborg zuckte mit den Schultern. Erlendur war mit seinen Gedanken bei Valgerður. Er hatte einige Tage lang nichts von ihr gehört. Ihm war klar, dass sie Zeit brauchte, und schließlich hatte er selbst ja auch keine Eile. Was sie an ihm fand, war ihm ein komplettes Rätsel. Er konnte nicht begreifen, was Valgerður an einem einsamen, schwermütigen Kerl in seinen düsteren vier Wänden in einem Wohnblock schätzte. Er fragte sich manchmal, ob er ihre Freundschaft überhaupt verdiente.
    Auf der anderen Seite wusste er aber haargenau, was er an Valgerður mochte, und zwar vom ersten Augenblick an. Sie stand für so vieles, was er nicht war und gerne gewesen wäre. Sie war in jeder Hinsicht das genaue Gegenteil von ihm. Sie war schön, sie lächelte gern, und sie war immer guter Dinge. Trotz der Eheprobleme, mit denen sie zu kämpfen hatte und von denen Erlendur wusste, dass sie ihr schwer zu schaffen machten, versuchte sie, sich nicht unterkriegen zu lassen. An all den Problemen, die sie hatte, sah sie immer auch positive Seiten, und sie war nicht imstande, etwas zu hassen oder sich etwas auf die Nerven gehen zu lassen. Sie ließ sich diese gütige, uneigennützige und großherzige Lebenseinstellung durch nichts verderben, nicht einmal durch ihren Mann, von dem Erlendur glaubte, dass er geistig minderbemittelt sein musste, eine Frau wie Valgerður zu betrügen. Erlendur wusste ganz genau, was er an ihr fand. Er lebte auf, wenn er mit ihr zusammen war.
    »Verrat mir, an was du denkst«, sagte Elínborg. Sie langweilte sich.
    »An nichts«, sagte er, »ich denke an gar nichts.«
    Sie schüttelte den Kopf. Erlendur war in diesem Sommer ungewöhnlich bedrückt gewesen, obwohl er sogar mehr Zeit als je zuvor außerhalb der Arbeit mit ihnen verbracht hatte. Sie hatte mit Sigurður Óli darüber gesprochen, und sie nahmen an, dass er wegen Eva Lind so niedergeschlagen war, denn das Mädchen hatte die Verbindung zu ihm fast abgebrochen. Sie wussten, welche Sorgen er sich um sie machte und wie sehr er versucht hatte, ihr zu helfen, aber es hatte den Anschein, als sei das Mädchen nicht imstande, mit sich selber zurechtzukommen. Sie gehört einfach zu den Versagern, war Sigurður Ólis gleich bleibender Kommentar. Elínborg hatte zwei oder drei Mal versucht, mit Erlendur über Eva Lind zu reden, und gefragt, wie es um sie stünde, aber er hatte alles

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