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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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identifiziert, sondern nur versucht, sich mit den Nachteilen zu arrangieren. Einige wurden besser damit fertig als andere. Ausbildung und Erziehung in der DDR waren vorbildlich. Die Kinder von Arbeitern und Bauern waren an der Universität in der Mehrheit. Wo hat es das sonst je gegeben?«
    »Warum kam Tómas nach all diesen Jahren, um dich nach Emíl zu fragen?«, sagte Elínborg. »Meinst du, dass er Emíl getroffen haben könnte?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Hannes. »Davon hat er mir nichts gesagt.«
    »Diese Ilona«, sagte Erlendur, »weiß man, was aus ihr geworden ist?«
    »Ich glaube nicht. Es waren besondere Zeiten damals wegen der Zustände in Ungarn, wo alles eskalierte. Sie wollten um jeden Preis verhindern, dass der Aufstand auf andere kommunistische Staaten übergriff. Es gab keinen Raum für freie Meinungsäußerung oder eine kritische Diskussion. Meines Erachtens nach weiß niemand, was mit Ilona geschah. Tómas hat es nie in Erfahrung gebracht. Oder zumindest glaube ich das nicht, obwohl es mich letzten Endes auch gar nichts angeht. Diese ganze Zeit geht mich nichts mehr an. Ich habe das alles längst hinter mir gelassen, und ich möchte am liebsten nicht darüber sprechen. Es waren unselige Zeiten.«
    »Wer hat dir das über Emíl und Ilona erzählt?«, fragte Elínborg.
    »Er heißt Karl«, sagte Hannes.
    »Karl?«, wiederholte Elínborg.
    »Ja«, sagte Hannes.
    »War er auch in Leipzig?«, fragte sie.
    Hannes nickte.
    »Kannst du dir vorstellen, dass irgendwelche Isländer in den sechziger Jahren so etwas wie ein russisches Abhörgerät in ihrem Besitz gehabt haben könnten?«, fragte Erlendur. »Leute, die sich hier auf Island mit Spionage abgegeben haben?«
    »Ein russisches Spionagegerät?«
    »Ja. Ich kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr dazu sagen. Fällt dir da jemand ein?«
    »Also, wenn Lothar zu dieser Zeit hier in der DDR-Vertretung tätig war, käme er natürlich in Frage«, sagte Hannes. »Ich kann mir nicht vorstellen … ihr … ihr meint doch nicht etwa, dass es einen isländischen Spion gab?«
    »Nein, ich glaube, das wäre äußerst abwegig«, sagte Erlendur.
    »Wie ich gesagt habe, ich kenne mich da absolut nicht aus. Ich habe so gut wie überhaupt keine Verbindung zu den anderen gehabt, die in Leipzig studierten. Und in russischen Spionageangelegenheiten kenne ich mich erst recht nicht aus.« »Du hast nicht zufällig ein Foto von Lothar Weiser?«, fragte Erlendur.
    »Nein, das habe ich nicht. Ich besitze nicht viel, was mich an diese Zeiten erinnert.«
    »Dieser Emíl muss ja wohl ein sehr mysteriöser Typ gewesen sein«, sagte Elínborg.
    »Kann gut sein. Wie gesagt, ich glaube, dass er die ganze Zeit im Ausland gelebt hat. Allerdings habe ich … das letzte Mal, als ich ihn sah … Es war um die Zeit herum, als Tómas zu diesem seltsamen Besuch kam. Ich habe Emíl für einen winzigen Augenblick im Zentrum von Reykjavík gesehen. Ich hatte ihn zwar seit Leipzig nicht getroffen, und es war auch nur für einen kurzen Moment, aber es war bestimmt Emíl. Doch wie gesagt, mehr weiß ich nicht über diesen Mann.«
    »Du hast aber nicht mit ihm gesprochen?«, fragte Elínborg.
    »Mit ihm gesprochen? Nein, das war gar nicht möglich. Er stieg in ein Auto und fuhr los. Ich habe ihn nur flüchtig gesehen, aber er war es ganz bestimmt. Ich kann mich gut erinnern, denn ich war einigermaßen erschrocken, als ich ihn sah.«
    »Kannst du dich erinnern, was für ein Auto das war?«
    »Was für ein Auto?
    »Ich meine, welche Marke, welche Farbe?«
    »Es war schwarz«, sagte Hannes. »Ansonsten versteh ich nichts von Autos. Aber es war schwarz, daran erinnere ich mich.«
    »Könnte es ein Ford gewesen sein?«, fragte Erlendur.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ein Ford Falcon?«
    »Wie ich gesagt habe, ich erinnere mich nur daran, dass es schwarz war.«

Einunddreißig
    Er legte den Stift zurück auf den Tisch. Er hatte versucht, sich bei der Schilderung der Ereignisse damals in Leipzig und später auf Island so klar und deutlich wie möglich auszudrücken. Der Bericht umfasste mehr als siebzig handgeschriebene Seiten, für die er einige Tage gebraucht hatte. Jetzt fehlte nur noch der Schluss. Er hatte eine freie Entscheidung getroffen, und sie war die einzig richtige für ihn. Er hatte sie akzeptiert.
    In seinem Bericht war er an dem Zeitpunkt angelangt, als er bei seinem Spaziergang an der Ægisíða Lothar Weiser erblickte, der sich einem Haus näherte. Er erkannte ihn sofort, obwohl

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