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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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hätte, dass Jói die Radkappe gemopst hat. Ihr wärt bestimmt davon ausgegangen, dass Jói ihn umgebracht hat. Er hat es natürlich nicht getan, aber ihr hättet es nicht geglaubt und Jói in den Knast gebracht.«
    »Wie reagierte dieser Mann, als dein Bruder die Radkappe genommen hatte?«, fragte Sigurður Óli noch einmal.
    »Er schien ziemlich gestresst zu sein.«
    »Und was ist passiert?«
    »Er griff meinen Bruder an«, sagte Haraldur. »Das hätte er nicht tun sollen, denn Jói war zwar geistig zurückgeblieben, aber er war stark. Er schleuderte ihn von sich, als sei er federleicht.«
    »Und brachte ihn um«, sagte Erlendur.
    Haraldur reckte langsam den Kopf zwischen den krummen Schultern hoch.
    »Was habe ich dir gerade eben gesagt?«
    »Warum sollen wir dir jetzt glauben, wenn du die ganzen Jahre gelogen hast?«
    »Ich beschloss, so zu tun, als sei er nie gekommen, als hätten wir ihn nie getroffen. Das war die beste Lösung. Wir haben ihm nichts getan. Als er von uns wegfuhr, war alles in Ordnung mit ihm.«
    »Warum sollen wir dir jetzt glauben?«, wiederholte Sigur- ður Óli.
    »Jói hat niemanden umgebracht«, sagte Haraldur und betonte jedes Wort. »Dazu wäre er nie imstande gewesen. Er konnte keiner Fliege was zuleide tun, mein Jói. Aber das hättet ihr nie geglaubt. Ich versuchte, ihm gut zuzureden, damit er die Radkappe hergab, aber er wollte uns nicht sagen, wo er sie versteckt hatte. Jói war ein bisschen so wie die Raben, er war versessen auf alles, was glitzerte. Und diese Radkappen waren neu und glänzten schön. Er wollte unbedingt eine haben. Das war das ganze Verbrechen. Der Mann kriegte einen unglaublichen Wutanfall und drohte uns, und dann ging er auf Jói los. Wir haben uns geprügelt, und anschließend musste er mit Schimpf und Schande abziehen, und wir haben ihn nie wieder gesehen.«
    »Und warum soll ich das glauben?«, fragte Erlendur.
    Haraldur schnaubte.
    »Mir ist es scheißegal, was du glaubst«, sagte er. »Mach daraus, was du willst.«
    »Warum hast du der Polizei nicht diese rührende Geschichte erzählt, als nach dem Mann gesucht wurde?«
    »Die Polizei schien nicht sonderlich viel Interesse an irgendwas zu haben«, sagte Haraldur. »Sie haben nicht um Erklärungen gebeten. Sie haben ein Protokoll angefertigt, und damit basta.«
    »Und nach der Prügelei ist der Mann weggefahren?«, sagte Erlendur, der unwillkürlich an Níels, den faulen Sack, denken musste.
    »Ja.«
    »Und eine Radkappe fehlte?«
    »Ja. Der Mann ist abgehauen, ohne sich um die Radkappe zu kümmern.«
    »Was hast du mit der Radkappe gemacht? Hast du überhaupt jemals erfahren, wo dein Bruder sie versteckt hatte?«
    »Ich habe sie vergraben, nachdem ihr angefangen hattet, einen über diesen Kerl auszufragen. Jói hat mir gesagt, wo er sie hingetan hatte, und ich habe hinter dem Haus ein Loch gebuddelt und es wieder zugeschüttet. Da kannst du sie noch finden.«
    »In Ordnung«, sagte Erlendur. »Wir werden hinter dem Haus graben und sehen, ob wir sie finden. Ich glaube aber, dass du uns immer noch etwas vorlügst.«
    »Macht nichts«, sagte Haraldur. »Meinetwegen könnt ihr glauben, was ihr wollt.«
    »Gibt es sonst noch etwas?«, fragte Erlendur.
    Haraldur schwieg verbissen. Vielleicht fand er, dass es nun reichte. Sigurður Óli warf Erlendur einen Blick zu. Schweigen herrschte in dem kleinen Zimmer, nur von draußen hörte man Geräusche, aus dem Speisesaal und vom Gang, wo die alten Leute entlangschlurften und auf die nächste Mahlzeit warteten. Erlendur stand auf.
    »Vielen Dank«, sagte er. »Das wird uns weiterhelfen. Wir hätten es nur lieber vor rund dreißig Jahren gewusst.«
    »Er verlor sein Mäppchen«, sagte Haraldur.
    »Sein Mäppchen?«, sagte Erlendur.
    »Bei der Prügelei. Dieser Verkäufer, der verlor seine Brieftasche. Wir haben sie erst gefunden, als er schon weg war. Sie lag da, wo das Auto gestanden hatte. Jói hat sie gefunden und versteckt. So schlau war er dann doch.«
    »Er hat seine Brieftasche bei euch verloren?«
    »Ja.«
    »Und was habt ihr damit gemacht?«, fragte Sigurður Óli. »Ich habe sie mit der Radkappe vergraben«, sagte Haraldur, und plötzlich spielte ein schwaches Lächeln um seine Lippen. »Die müsstet ihr auch da finden.«
    »Bist du nicht auf die Idee gekommen, sie zurückzugeben?«, fragte Erlendur.
    »Ich habe es versucht, aber ich habe seinen Namen nicht im Telefonbuch gefunden. Und dann fingt ihr an, nach diesem Mann zu fragen, und da habe ich sie lieber

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