Kaeltezone
Lothar ins Gesicht. »Ich habe Emíl umgebracht«, sagte er.
»Was zum Teufel ist passiert?«, fauchte Lothar. »Warum bist du auf ihn losgegangen? Woher hast du von ihm gewusst? Wie hast du ihn hier gefunden? Was machst du eigentlich hier, Tómas?!«
»Ich bin dir nachgegangen«, sagte er. »Ich habe dich gesehen und bin dir gefolgt. Und jetzt habe ich ihn umgebracht. Er hat etwas über Ilona gesagt.«
»Denkst du immer noch an sie? Kannst du das denn nie vergessen?«
Lothar ging zur Tür, schloss sie sorgfältig und blickte sich suchend in dem Schuppen um. Er selber rührte sich nicht vom Fleck und beobachtete Lothar wie hypnotisiert. Seine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, und er konnte das, was in dem Schuppen war, allmählich besser erkennen. Er war voll von altem Plunder, der unordentlich herumlag, Stühle, Gartenwerkzeuge, Möbel und Matratzen. Um den Arbeitstisch herum bemerkte er verschiedene Geräte und Apparate, von denen er einige nicht einordnen konnte. Da standen Ferngläser sowie größere und kleinere Kameras und ein großes Tonbandgerät herum. Es war mit einem anderen Gerät verbunden, das wie ein Funkgerät aussah. Überall lagen Fotos herum, aber er konnte nicht erkennen, was darauf war. Auf dem Fußboden beim Arbeitstisch stand ein großer, schwarzer Kasten mit diversen Armaturen und Schaltern, von denen er nicht wusste, wozu sie da waren. Daneben befand sich eine große Reisetasche, in die der Apparat mühelos hineingepasst hätte. Das Gerät schien beschädigt zu sein, die Armaturen waren zerbrochen, und die hintere Platte war lose, so als sei das Gerät auf den Boden gefallen.
Er fühlte sich wie in Trance, wie in einem seltsamen Traumgebilde. Was er getan hatte, war so unwirklich und absurd, dass er nicht imstande war, in irgendeiner Form zu reagieren. Er schaute auf die Leiche am Boden und auf Lothar, der vor ihr kniete.
»Ich dachte, ich hätte ihn gekannt …«
»Emíl konnte verdammt widerlich sein«, sagte Lothar.
»War er es? Hat er euch von Ilona erzählt?«
»Ja, er hat uns über diese geheimen Treffen informiert. Er hat für uns gearbeitet, in Leipzig, an der Universität. Ihm war es ganz egal, wen er hinterging, wen er verriet. Sogar seine besten Freunde blieben nicht verschont. So wie du«, sagte Lothar und stand wieder auf.
»Ich glaubte, wir wären voreinander sicher«, antwortete er. »Wir Isländer. Ich habe nie den Verdacht gehabt …« Er hielt mitten im Satz inne. Er kam jetzt wieder zu sich. Der Nebel lichtete sich, und seine Gedanken begannen sich langsam zu ordnen. »Du warst nicht besser«, sagte er. »Du warst selber keinen Deut besser. Du warst genau wie er, nur noch schlimmer.«
Sie schauten sich in die Augen.
»Muss ich Angst vor dir haben?«, fragte er.
Er verspürte keine Angst. Zumindest noch nicht. Lothar stellte keine Bedrohung für ihn dar. Ganz im Gegenteil, es hatte den Anschein, als überlegte Lothar bereits, was jetzt mit Emíl geschehen sollte, der in seinem Blut auf dem Boden lag. Lothar hatte sich nicht auf ihn gestürzt. Er hatte ihm nicht einmal die Schaufel abgenommen. Aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen umklammerte er immer noch den Schaft.
»Nein«, sagte Lothar, »du brauchst keine Angst vor mir zu haben.«
»Wie kann ich da sicher sein?«
»Weil ich es dir sage.«
»Man kann niemandem trauen«, sagte er. »Das solltest du wissen. Das weißt du doch wohl am besten, denn du hast es mir beigebracht.«
»Du musst erstens von hier verschwinden und zweitens versuchen, das alles zu vergessen«, sagte Lothar, trat zu ihm und griff nach der Schaufel. »Frag nicht, wieso. Ich erledige das mit Emíl. Mach jetzt bloß nicht noch mehr Dummheiten, wie beispielsweise die Polizei anzurufen. Vergiss es so schnell wie möglich. Als wäre es nie geschehen. Mach bloß keine dummen Sachen.«
»Warum? Warum willst du mir helfen? Ich glaubte …«
»Da gibt’s nichts zu glauben«, fuhr Lothar dazwischen. »Hau jetzt ab und rede niemals mit jemandem darüber. Das hier geht dich nichts an.«
Sie standen sich gegenüber, und Lothars Griff nach der Schaufel verstärkte sich.
»Natürlich geht mich das etwas an!«
»Nein«, sagte Lothar entschlossen. »Vergiss es.«
»Was hast du mit dem gemeint, was du gesagt hast?«
»Was denn?«, fragte Lothar.
»Woher ich von ihm wusste. Wie ich ihn ausfindig gemacht habe. Lebte er schon lange hier?«
»Hier in Island? Nein.«
»Was geht hier eigentlich vor? Was macht ihr da zusammen? Was für
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