Kämpfer der Lichtwelt
ausgearbeitet hatte. Corian war ein überaus fähiger Stratege, seine Anordnungen hatten Hand und Fuß. Das war Horvand auch von seinem Gesandten Jamis bestätigt worden, dem Herrn von Burg Dhuannin, der auf Burg Anbur das Herzogtum Nugamor vertreten hatte. Jamis hatte den Auftrag gehabt, die besten Bedingungen für sein Herzogtum herauszuholen, die in dieser Lage zu erreichen waren. Und Horvand war mit seinem Gesandten zufrieden.
Irgendwo gingen ständig Türen, verhaltene Schritte waren zu hören, das Klappern von Geräten, gelegentliches Waffenklirren. Über die steinernen Wände geisterten Schatten, die die Männer warfen, die unterwegs waren. Auf Burg Dhuannin war in dieser Nacht jedermann auf den Beinen. Nur die Frauen hatten sich hinter verschlossenen Türen zu halten, darauf bestand der Herzog. Es war nie gut, wenn die Männer vor der Schlacht abgelenkt wurden.
Der Herzog stieg die Wendeltreppe zum Bergfried hinauf. Die Burgwachen, die auf seinem Weg standen, verneigten sich schweigend. Auf der letzten Plattform wurde der Herzog von einem Hauptmann der Burggarde erwartet. Er hatte sechs Männer bei sich.
»Herr«, sagte der Hauptmann und verneigte sich ehrerbietig, »du solltest nicht auf den Wehrgang hinausgehen. Es herrscht eine Kälte, die imstande ist, selbst Eisen zu brechen.«
»Jamis von Dhuannin ist dein Herr, ich bin dein Herzog«, sagte Horvand zurechtweisend und trat auf die Wehrplattform des Bergfrieds hinaus.
Es war eine klare Vollmondnacht, keine Wolke trübte den fahl erhellten Himmel. Von hier oben konnte man im Süden bis zur Stadt Nugamor blicken. Im Westen zog sich die Yarl-Straße als dunkles Band dahin und kreuzte die von Osten sich heranschlängelnde Lorana. Im Osten waren als dunkle Flecken Corians Heerlager zu erkennen, und im Südosten erhoben sich die Karsh-Berge hoch über das Land. Nur der Norden war nicht einzusehen. Dort, wo sich das riesige Hochmoor erstreckte, wurde alles von einem undurchdringlichen Nebelmeer verhüllt. Was verbarg der Nebel?
Horvand zuckte leicht zusammen, als er hinter sich ein Geräusch vernahm. Er blickte sich um und erkannte den roten Haarschopf des Burgherrn Jamis von Dhuannin.
»Du schleichst mir nach?« wunderte sich Horvand.
»Zu deinen Diensten, mein Herzog«, sagte Jamis höflich und verneigte sich wieder. »Ich hörte, dass du keine Ruhe finden konntest, und suchte dich auf, um dir Gesellschaft zu leisten.«
»Wer kann in dieser Nacht schon an Schlaf denken?« sagte Horvand. »Wir stehen vor der größten Entscheidungsschlacht in der Geschichte der Lichtwelt.«
»In den Mythen heißt es, dass alle paar Menschenalter solche Entscheidungsschlachten zwischen dem Licht und dem Dunkel stattfinden«, sagte Jamis. »Und doch ist weder für die eine noch für die andere Seite bis jetzt eine Entscheidung gefallen.«
»Die Schatten breiten sich aus, Jamis, das wird jeder Weise bestätigen«, sagte Horvand. Er legte die Hand auf eine Zinne, zog sie aber sofort wieder zurück, als die Kälte des Steins auf ihn übergriff. »Diese Kälte ist nicht natürlich. Sie durchdringt alles, selbst Stein und Holz, und sie schleicht sich in unsere Herzen.«
Jamis sagte darauf nichts, und Horvand dachte an den vergangenen Tag zurück, als er, von Nugamor kommend, in das Heerlager eingeritten war. In Nugamor hatte es noch geschneit, der Himmel war von dichten Wolken verhangen gewesen. Dann, auf halbem Weg zum Hochmoor, hatte es sich plötzlich aufgeklärt, und es war bitter kalt geworden. , »Kann man die Werte des Lichtes umkehren?« fragte Horvand.
»Mit Magie vermag man viel zu erreichen«, antwortete Jamis, »besonders mit Schwarzer. Aber selbst die Caer-Priester vermögen nicht Licht in Finsternis zu verwandeln. Doch ist zu bedenken, dass Licht blenden kann. Andererseits kann Dunkelheit manchen Makel verhüllen. Licht wirft Schatten, und Schatten kann in der Gluthitze der Wüste ein Labsal sein. Gut und Böse, das sind keine feststehenden Werte.«
»Genug!« sagte Horvand. »Du brauchst mir gegenüber keine Haarspaltereien zu betreiben, ich möchte klare Antworten haben. Wenn du keine geben kannst, dann schweige.«
Und Jamis schwieg. Horvand begab sich auf die südliche Seite der Wehrplattform, von wo man an manchen Tagen die Schattenzone als dunkles Band sehen konnte und in den Nächten als leuchtenden Gürtel. Aber in dieser klaren Nacht war der Süden von Wolken verhangen.
Horvand blickte in die Ebene hinab, wo seine fünfzigtausend Krieger lagerten.
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