Käufliche Liebe Band 1 (German Edition)
hoch, ich starre an die Decke, während ich horche. Absolute Stille. Dann das Tapsen nackter Füße, Pino kriecht neben mich und macht das Licht aus. Obwohl ich todmüde bin, kann ich lange nicht einschlafen.
Am nächsten Morgen hilft mir Pino beim Anziehen, als wäre nichts geschehen. Ist es ja auch nicht, und gleichzeitig fühlt es sich so an, als wäre alles anders. Ich schaue runter auf seinen gesenkten Kopf, während er mir die Jeans über die Beine streift. Zu gern hätte ich seine Haare angefasst und geprüft, ob sie so weich sind, wie sie aussehen. Verdammt, Hunt, was ist mit dir los?
Schweigend frühstücken wir zusammen, und danach bringt mich Pino zu meiner Wohnung. Im Flur lass ich die Sporttasche fallen und schaue mich um. Alles ist fremd, dabei war ich nur zwei Tage weg. Meine Rippen schmerzen noch immer wie verrückt, aber es lässt sich inzwischen aushalten. Ich drehe mich zu meinem Retter und lächle ihn an.
„Danke für alles“, sage ich mit rauer Stimme.
„Schon okay, vielleicht kannst du dich irgendwann revanchieren, wenn ich in einen Bandenkrieg gerate“, witzelt Pino, aber er sieht gar nicht glücklich dabei aus.
„Das werde ich“, verspreche ich, und ich meine es ernst, auch wenn der glückliche Kerl niemals zwischen die Fronten geraten wird.
Pino ist nicht der Typ für schräge Sachen, und auch für mich steht fest, dass ich meinen Nebenerwerb aufgeben werde. Dafür gibt es viele Gründe, einer davon steht vor mir.
„Ja, dann, ruf an, wenn du Hilfe brauchst“, sagt Pino und wendet sich zur Tür.
„Mach ich“, antworte ich und weiß schon jetzt, dass ich es nicht tun werde.
Nach zwei Tagen sitze ich wieder im Taxi. Es tut weh, und das bleibt auch die nächsten zwei Wochen so, aber ich muss Geld verdienen. Als Selbständiger gibt es keine Zahlungen von irgendwelchen Versicherungen, die ich nicht abgeschlossen habe. Bisher hat es mich nicht gestört, dass ich ein Leben wie im freien Fall führe. Lebe den Tag, war mein Motto. Seit dem Unfall – ich nenne es einfach so – ist alles anders.
Ich denke an Sicherheit, sortiere nach und nach meine Papiere. Das Taxi gehört mir, die Wohnung auch. Alles mit meinem Nebenjob finanziert. Aber wofür? Ich werde nicht alt werden, Kinder werde ich auch nicht haben. Soll ich alles verkaufen und neu anfangen? Und – bitteschön – woher kommen diese ganzen Gedanken?
Ich weiß es, aber ich will es mir nicht eingestehen. Täglich denke ich an Pino, sehne mich nach ihm und will ihn gleichzeitig nicht sehen. Ich brauche weder Google noch Dr. Bottleneck, um meinen Zustand zu analysieren. Mein Herz pocht empört, es redet inzwischen sogar mit meinem Gehirn. Ein schlimmer Zustand, den ich durch nichts ändern kann. Dennoch, ich verweigere – sozusagen – auf ganzer Linie. Das kann ich gut, habe es schon immer gekonnt. Auch mein Schwanz geht seine eigenen Wege und wird nur dann hart, wenn dieser kleine Braunhaarige in meinem Kopfkino auftritt. Oh ja, das Kino öffnet täglich und spult Filme ab, die mich erröten lassen würden, wenn ich dieser Regung fähig wäre.
Woche drei bricht an. Ich kann endlich wieder frei atmen und habe keine Schmerzen mehr, jedenfalls nicht mehr an meinem Brustkorb, dafür aber drinnen. Mein Herz brennt und flüstert in meinem Kopf. Ich ignoriere es und mach meinen Job. Der Tag läuft gut, ein Freitag, und ich beschließe abends, dass ich mir einen Ausflug in mein altes Leben verdient habe.
Der ‚goldene Hirsch‘ platzt aus allen Nähten, als ich gegen Mitternacht dort aufschlage. Ich drängle mich durch die verschwitzen Leiber nach hinten zum Tresen und ordere ein Bier. Wie gewohnt taxiere ich die Anwesenden, erwidere hier und da einen Blick mit einem eindeutigen ‚Nein‘. Ehemalige Kunden sind hier, aber ich will nicht mehr. Pino – was für ein lächerlicher Name – hat mich für alles verdorben.
Wofür? Für den belanglosen Sex, sagt mein Herz. Es bekommt Redeverbot, wenigstens für heute Abend. Ich trinke aus der Flasche und lass den Blick schweifen. Ein Tänzer weckt meine Aufmerksamkeit und dieses verdammte Organ, dem ich eben noch ein Pflaster über den Mund geklebt habe, wispert: Da ist er.
Ja, da ist Pino, und er bewegt sich vollkommen selbstvergessen. Ich hatte ganz verdrängt, wie schön er ist. Seine Wimpern sind gesenkt, sein Mund zu einem Lächeln verzogen. Er scheint den Rhythmus verinnerlicht zu haben und schwebt, zuckt und genießt es sichtlich, zu tanzen.
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