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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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bemerkt? Beispielsweise einen Geruch, ein Geräusch oder ein Licht?
     
    (Überlegt eine Weile.) Nein, wie ich schon sagte, die Umgebung war sehr ruhig, geradezu der Inbegriff von Ruhe und Frieden. Ich habe weder ein Geräusch, ein Licht oder einen Geruch oder sonst etwas Ungewöhnliches bemerkt. Abgesehen davon, dass meine gesamte Schulklasse das Bewusstsein verloren hatte. Mir war, als wäre ich der einzige Mensch auf der Welt, der noch auf beiden Beinen stand. Ich verspürte schreckliche Einsamkeit, eine Einsamkeit, die ich mit nichts vergleichen kann. Ich fühlte mich, als wollte ich mich, ohne an etwas zu denken, in Luft auflösen.
    Aber als Lehrerin hatte ich natürlich die Verantwortung. Also riss ich mich sogleich wieder zusammen und rannte, mich fast überschlagend, den Hang hinunter, um Hilfe zu holen.

3
    Als ich aufwache, dämmert es bereits. Ich ziehe den Vorhang beiseite und betrachte die Landschaft. Der Regen hat vollständig aufgehört, aber wohl erst vor kurzem, denn alles, was vor dem Fenster zu sehen ist, ist dunkel vor Nässe und trieft. Am östlichen Himmel schweben deutlich umrissene Wolken, jede mit einem Rand aus Licht gesäumt. Die Farbe des Lichts wirkt bedrohlich, zugleich aber auch heiter, ein Eindruck, der je nach Blickwinkel ständig wechselt.
    Mit gleichmäßiger Geschwindigkeit fährt der Bus die Autobahn entlang. Das Sirren der Reifen, das an meine Ohren dringt, wird weder lauter noch leiser. Auch die Drehzahl des Motors ändert sich nicht. Wie ein Mühlstein schleift das monotone Geräusch Zeit und Bewusstsein auf eine glatte Ebene herunter. Die anderen Fahrgäste haben ihre Vorhänge geschlossen und schlafen zusammengekauert auf ihren Sitzen. Der Fahrer und ich scheinen als Einzige wach zu sein. Gleichmütig bewegen wir uns auf unser Ziel zu.
    Als ich Durst bekomme, nehme ich aus der Seitentasche des Rucksacks meine Flasche und trinke von dem lauwarmen Mineralwasser. Aus derselben Tasche hole ich eine Packung Kräcker und esse ein paar. In meinem Mund breitet sich der vertraute trockene Geschmack der Kräcker aus. Meine Armbanduhr zeigt 4:32. Zur Sicherheit überprüfe ich auch Datum und Wochentag. Die Zahlen sagen mir, dass seit meinem Aufbruch von zu Hause ungefähr dreizehn Stunden vergangen sind, aber die Zeit scheint sich weder vor noch zurück zu bewegen. Ich habe immer noch Geburtstag. Ich befinde mich mitten am ersten Tag meines neuen Lebens. Ich schließe die Augen, öffne sie wieder und vergewissere mich noch einmal, ob Zeit und Datum auf meiner Uhr stimmen. Dann schalte ich die Leselampe ein und beginne in meinem Taschenbuch zu lesen.
    Gegen fünf verlässt der Bus unvermittelt die Autobahn und hält auf dem großen Parkplatz einer Raststätte an. Das Zischen der pneumatischen Tür ist zu hören, und sie öffnet sich. Im Bus geht das Licht an, und der Fahrer macht eine kurze Durchsage. »Guten Morgen, verehrte Fahrgäste. In einer Stunde erreichen wir planmäßig den Bahnhof Takamatsu. Zuvor machen wir an dieser Raststätte eine Pause von etwa zwanzig Minuten. Abfahrt ist um fünf Uhr dreißig. Bitte finden Sie sich bis dahin wieder im Bus ein.«
    Bei der Durchsage sind fast alle Passagiere aufgewacht, stehen wortlos auf, gähnen und klettern mit erschöpften Gesichtern aus dem Bus. Vor unserer Ankunft in Takamatsu wollen sich die meisten wohl noch etwas zurechtmachen. Ich steige ebenfalls aus, atme ein paar Mal tief durch, strecke mich und mache an der frischen Morgenluft ein paar einfache Dehnübungen. In der Toilette wasche ich mir das Gesicht. Wo sind wir hier überhaupt? Ich gehe ins Freie, um einen Blick auf die Umgebung zu werfen. Es ist die merkmallose, typische Landschaft am Rande einer Autobahn. Dennoch – aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein – kommen die Form der Hügel und die Farbschattierungen der Bäume mir irgendwie anders vor als in Tokyo.
    Als ich in der Cafeteria von dem heißen grünen Tee trinke, der dort kostenlos ausgeschenkt wird, setzt sich eine junge Frau auf den Plastikstuhl neben mir. In ihrer rechten Hand hält sie einen Pappbecher mit Kaffee, den sie gerade an einem Automaten gezogen hat. Weißer Dampf steigt davon auf. In ihrer linken Hand hat sie eine kleine Schachtel mit einem Sandwich, das sie anscheinend ebenfalls am Automaten gekauft hat.
    Ihr Gesicht ist, offen gesagt, ziemlich originell. Auch bei wohlwollendster Betrachtung kann man es nicht als hübsch bezeichnen. Die Stirn ist breit, die Nase klein und knubbelig, die

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