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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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gerade einen Käfer entdeckt. Ein Auge wirkte überraschter als das andere. Zack hob ihn hoch, wobei das Blut in Petes Gesicht und auf dem Boden ein Geräusch machte, als würde jemand Sandpapier zerreißen.
    Sie zogen Pete die Hose hoch und setzten ihn dann im Lastwagen zwischen sich. Mr. Jones hielt Pete aufrecht, während Zack fuhr und sich dabei so gut wie möglich auf die Straße konzentrierte, damit ihn der Geruch von Kot und verwesendem Fleisch nicht überwältigte. Wegen der Hitze war Pete inzwischen eine Beleidigung für jede Nase, obwohl die Fahrt bis Camp Rapture nicht lange dauerte und die Temperatur inzwischen gesunken war. Sie waren noch nicht weit gefahren, da waren die Ameisen, die in Petes Kleidung gekrochen waren, schon zu Zack hinübergekrabbelt und hatten ihn in Handgelenke, Hände und Knöchel gebissen.
    Zack hatte nicht von sich aus angeboten, Petes Leiche zu holen, sondern Jones, der von den farbigen Arbeitern Captain genannt wurde, hatte ihn dazu verdonnert. Wäre er nicht mitgegangen, hätte er mit Sicherheit seinen Arbeitsplatz verloren und wieder für einen Apfel und einen Furz Baumwolle pflücken, Unkraut hacken oder Säcke schleppen können, also hatte er nicht lange überlegt.
    Insgeheim war Zack froh, dass Pete tot war. Pete hatte ihm mal eins mit der Pistole übergezogen, weil er ihn nicht Mister genannt hatte. Zack hatte den Constable, wie es die Weißen um ihn herum machten, mit Pete angesprochen.
    »Vergiss ja nicht, wo dein Platz ist, Nigger«, hatte Pete gesagt, die Pistole herausgezogen und zugeschlagen. Glücklicherweise waren es nur ein paar Hiebe gewesen, anders als bei Drei-Finger-Jack. Wenn er solche Prügel bezogen hätte wie der, könnte er längst die Radieschen von unten betrachten und den Würmern als Nahrung dienen.
    Daher fand Zack es verdammt witzig, Mr. Pete so vorzufinden, mit der Hose um die Knöchel, dem blöden Gesichtsausdruck, dem vollgeschissenen Hintern, im Kopf eine Kugel aus seiner eigenen Waffe, abgefeuert von einer kleinen rothaarigen Frau.
    Jones und Zack brachten Pete ins Haus und bauten eine der Schranktüren aus, um sie als Bahre zu verwenden. Sie legten sie über zwei Stühle und hoben Petes Leiche hinauf. Zack sprach sein Beileid aus und machte sich aus dem Staub. Mr. Jones sagte weder »Danke« noch »Bitte« noch »Leck mich am Arsch«.
     
    Als ob das alles nicht schon schlimm genug gewesen wäre, kam Karen, Petes Tochter, von ihrem Angelausflug zurück, kurz nachdem Mr. Jones die Leiche hereingebracht hatte. Sie öffnete die Tür mit einem Lächeln und einer Lüge auf den Lippen. Sie war vierzehn, und es war nicht ihre erste Lüge. Nach dem Sturm hatte sie ein paar Fische eingesammelt, um so zu tun, als hätte sie sie gefangen.
    Statt mit Freunden angeln zu gehen, war sie mit einem Jungen zusammen gewesen, Jerry Flynn. Sie waren zum Fluss hinuntergegangen, um zu schmusen, aber dann war der Sturm aufgezogen. Statt die Zeit mit Küssen zu verbringen, hatten sie mit dem Gesicht nach unten am Boden gelegen, während der Sturm über sie hinwegtobte.
    Sobald der Tornado vorbei war, hatten sie sich sofort auf den Weg nach Hause gemacht, was für Karen in dem Fall das Haus der Jones’ bedeutete, wo sie zu Besuch bei ihren Großeltern war.
    Kaum stand Karen im Zimmer, war die Lüge vergessen. Sie sah ihren Vater mit heraushängender Zunge auf der Bahre liegen, das Haar im Gesicht, die Kleidung nass vom Sturm. Das linke Auge wölbte sich vor, als säße jemand in seinem Kopf und würde es aus dem Schädel herausdrücken. Karen ließ die Fische fallen und schrie: »Daddy, Daddy, Daddy.«
    Sunsets Lebensgeister waren allmählich wieder erwacht, und sie hatte sich ein Kleid von ihrer Schwiegermutter geborgt, das ihr viel zu groß war. Den Revolver hielt sie immer noch in der Hand. Als sie ihre Tochter schreien hörte, stürzte sie herbei, packte sie und zog sie nach draußen.
     
    Marilyn fragte sich, wohin Sunset und Karen wohl gegangen sein mochten, aber sie war zu schwach und zu traurig, um nachzuschauen. Sie hoffte, es ging ihnen gut da draußen in der Dunkelheit.
    Sie wusste, dass ihr Mann froh war über Sunsets Verschwinden. Er hatte damit gedroht, seine Schrotflinte zu holen und ihr die langen Beine unter dem Hintern wegzuschießen, wenn sie ihm das nächste Mal über den Weg lief. Und Marilyn wusste, dass er es wahrmachen und vermutlich auch noch ungestraft davonkommen würde.
    Erst in dem Moment fiel ihr neben all den anderen Gedanken, die sie

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