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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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und Schuhe auf. »Das wirst du noch bereuen, das verspreche ich dir.«
    »Ich lasse mich nie wieder von dir schlagen.«
    »Eine Frau hat ihrem Mann zu gehorchen.«
    »Ich bin nicht mehr deine Frau.«
    »Vor Gott bist du das wohl.«
    »Dann soll Gott gefälligst den Kopf wegdrehen.« Sie hob die Schrotflinte an die Schulter und nahm ihn ins Visier.
    »Sei bloß vorsichtig. Die Waffe geht verdammt leicht los.« Jones stand auf und verließ das Zimmer.
    Sie ging ihm hinterher. »Bleib ja nicht stehen, egal wegen was.«
    »Ich werde jetzt noch einen Blick auf Pete werfen. Wenn du willst, erschieß mich. Aber ich werde mir meinen Sohn noch einmal ansehen.«
    »Dann beeil dich.«
    Er zog an der Schnur, mit der die Lampe unter der Decke anging, blieb an der Bahre stehen und berührte Petes Gesicht.
    Bevor er das Haus verließ, drehte er sich noch einmal um und sagte: »Du und die Kleine, ihr werdet dafür zahlen. James Wilson Jones vergisst nicht.«
    »Dann verschwinde, solange du noch ein Hirn im Schädel hast, mit dem du dich erinnern kannst.«
    »Ich lasse dir Eis bringen. Es ist zu warm für die Leiche. Ich schicke jemanden mit Eis.«
    »In Ordnung. Aber jetzt geh. Und bring es ja nicht selbst. Schick einen der Männer.«
    Jones warf ihr einen Blick zu, den sie nur zu gut kannte. So sah er sie immer an, bevor er sie schlug. Aber so weit würde es diesmal nicht kommen. Sie fühlte sich seltsam. Gut. Mächtig. So stark hatte sie sich seit ihrer Kindheit nicht mehr gefühlt.
    »Bilde dir ja nicht ein, du könntest hierher zurückkommen. Ich werde auf der Hut sein. Und nächstes Mal sage ich nichts. Ich schieße einfach. Und eins sollst du wissen: Ich hasse dich. Ich hasse alles an dir, und das schon eine ganze Weile. Und heute hasse ich dich mehr denn je.«
    Jones ging hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. Marilyn folgte ihm nach draußen und schrie ihm hinterher: »Und lass den Pick-up hier. Ich brauche ihn.«
    Er drehte sich nicht um, ging einfach weiter.
    Marilyn ging zum Wagen, zog den Schlüssel aus der Zündung und nahm ihn mit ins Haus. Sie hatten nur selten die Türen zugesperrt, aber jetzt griff sie zu dem Hausschlüssel, der neben der Tür an einem Nagel hing. Sobald sie abgesperrt hatte, fiel ihr ein, dass Jones einen Schlüssel hatte, also schob sie einen Stuhl unter die Klinke. Am nächsten Tag musste sie den Schlosser kommen und die Schlösser austauschen lassen. Sie verriegelte alle Fenster und die hintere Fliegengittertür, schob die Holztür zu und sicherte sie ebenfalls mithilfe eines Stuhls.
    Sie zog an der Schnur der Lampe, holte sich einen Stuhl und saß im Dunkeln mit der Schrotflinte auf dem Schoß neben Petes Leiche. Draußen flogen Junikäfer gegen das Fliegengitter des nächstgelegenen Fensters. Sie konnte sie hören, obwohl das Fenster geschlossen war. Sie fragte sich, ob sie jetzt, wo das Licht aus war, wohl bald aufhören würden. Nachdem sie so lange in Osttexas gelebt hatte, hätte sie die Antwort darauf eigentlich wissen sollen, aber irgendwie wusste sie rein gar nichts mehr über Junikäfer.
    Irgendwann gaben sie auf. Mit den geschlossenen Fenstern wurde es allmählich heiß im Haus. Schweiß lief ihr über das Gesicht und in ihr Nachthemd, und ihre Achselhöhlen wurden ganz klebrig. Im Haus war es still. Im Hinterzimmer konnte sie die Standuhr ticken hören.
    Sie fragte sich, wo Sunset und Karen wohl waren. Sie hoffte, es ging ihnen gut. Und dann traf es sie wie ein Blitz: Sie hoffte, dass es der Frau, die ihren Sohn umgebracht hatte, gut ging.
     

KAPITEL 5
     
     
    Als die Sonne aufging und ihr Licht rosa durch die Bäume floss, als wäre sie eine aufgesprungene Blutblase, stellte Sunset fest, dass sie ebenfalls blutete. Nicht nur aus den Wunden, die Pete ihr zugefügt hatte, sondern auch aus den frischen, die von ihrer Tochter stammten – Kratzer und Bisse, dazu Moskitostiche und Ameisenbisse. Da sie auf dem Boden geschlafen hatte, war Dreck in die Wunden geraten, die jetzt juckten. Sie hatte Schmerzen in der Seite und im Bauch, obwohl sie sich nicht entsinnen konnte, dass sie dort auch getroffen worden war. Vielleicht schon, vielleicht auch nicht, vielleicht war sie auch nur auf einer Wurzel oder auf einem Stein gelegen.
    Sie saß am Ufer des Sawmill Creek, wo Karen und sie die Nacht unter einer großen Ulme verbracht hatten. Sie saß einfach nur da, spürte die Morgensonne auf ihrer Haut, betrachtete ihre Tochter, die dort lag, wo sie sich schließlich in den Schlaf geweint

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