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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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dir, diese Versammlung heute zu überstehen. Beim nächsten Mal reicht das nicht mehr. Hast du mich verstanden?«
    »Glauben Sie etwa, Sie können mir Angst machen?«, fragte Sunset, die entsetzliche Angst hatte. Ihre Hand lag auf dem Kolben des Revolvers, denn McBride hatte sich auf seinem Platz in der Bank bewegt, und sein Mantel klaffte auf und ließ eine große Pistole sehen, die im Holster unter seinem Arm hing. Er wusste, dass Sunset sie sehen konnte, das war schließlich Zweck der Übung. Dann bewegte er sich noch einmal, sodass der Mantel wieder über die Pistole fiel. Sie ließ die Hand auf der Waffe liegen, locker, aber griffbereit, wild entschlossen, nicht zu zeigen, wie verängstigt sie war. Sie behielt das ruhige Lächeln bei und spannte die Beine an, damit ihre Knie nicht nachgeben konnten.
    Dann sah sie, dass sich irgendetwas hinter dem geschlossenen Vorhang im rückwärtigen Teil bewegte, dort, wo der Chor sonst stand. Wenn der Chor sang, wurde der Vorhang immer zurückgezogen, und jetzt schauten Füße unter ihm hervor. »Wer ist da hinten?«, fragte sie.
    »Glaub mir«, sagte McBride. »Es ist besser für dich, wenn du das nicht weißt.«
    »Sagen Sie ihm, er soll rauskommen.«
    McBride grinste. »Na gut. Two.«
    Two trat hervor. Größtenteils stand er im Dunkeln, aber das Licht, das durch die Tür hereinfiel, reichte aus, sodass Sunset ihn sehen konnte. Im ersten Moment wirkte er eher klein, aber dann wurde ihr klar, dass er über einen Meter achtzig groß war und kräftig wie eine Eiche. Er war schwarz wie feuchtes Lakritz, und das Weiße seiner Augen war außergewöhnlich weiß. Er lächelte. Sein Zahnfleisch war dunkel. Wie McBride hatte er eine Melone auf dem Kopf, nur dass sie etwas tiefer saß. Er trug normale Kleidung, aber seine Jacke war schwarz und seidig und hatte lange Schwalbenschwänze. Irgendetwas an ihm gab Sunset das Gefühl, ihre Haut würde sich am liebsten von außen nach innen kehren.
    »Was soll der denn darstellen?«, fragte Sunset.
    »Er ist ein großer Nigger«, antwortete McBride.
    »Wieso ist er hier?«
    »Sagte ich doch schon. Für dich ist es besser, wenn du das nicht weißt.«
    Sunset betrachtete McBride und sagte: »Ihr hässlicher kleiner Hut sitzt viel zu eng, wie am Kopf festgeschraubt. Wissen Sie nicht, dass man in der Kirche den Hut abnimmt? Oder geht Ihr Kopf dann gleich mit ab?«
    McBrides Gesicht fiel in sich zusammen wie ein Segel ohne Wind, und Sunset wurde klar, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte. Der Hut? Nein. Sein Kopf? Das war es – der Mistkerl hatte eine Glatze. Und war eitel. Sie lächelte ihn hämisch an. McBrides Gesichtsausdruck blieb derselbe – das Segel hing noch immer schlaff herab.
    »Du befindest dich in dem Bezirk, für den ich als Constable zuständig bin, Henry«, sagte Sunset. »Du und dein Schläger und der Schläger deines Schlägers oder was immer er ist. Ihr alle.«
    »Aber in Holiday bist du nicht das Gesetz«, entgegnete Henry. »Die Karten gehen dich nichts an, und nachdem die Rechtsprechung dort quasi in meinen Zuständigkeitsbereich fällt, bin in Holiday wohl ich das Gesetz.«
    »Zendos Land liegt in meinem Zuständigkeitsbereich. Ihr Jungs sagt nun besser euer Gebet auf und verzieht euch. In einer Stunde will ich euch hier nicht mehr sehen. Falls doch, nehme ich euch fest.«
    »Weswegen?«, fragte Henry.
    »Wegen Unflätigkeit in der Kirche.« Jetzt war der richtige Zeitpunkt, einen Abgang zu machen, dachte sie, solange sie noch eine Nasenlänge Vorsprung hatte. Sie ging den Gang hinunter auf die offene Tür zu.
    »Sind wir uns jetzt einig, du und ich?«, rief Henry ihr hinterher.
    Sunset ging weiter. Als sie draußen war, streckte sie die Hände aus und betrachtete sie. Sie zitterten.
     
    Was meinst du?«, fragte Henry. »Zieht sie mit? Läßt sie sich auf den Handel ein?«
    »Die nicht. Hoffe ich jedenfalls. Sie und ich, wir müssen uns unbedingt näher kennenlernen, und ich hätte gern einen Grund, richtig wütend zu werden.«
    »Ich glaube, sie läßt sich drauf ein. Jetzt tut sie noch großspurig, aber sie wird drüber nachdenken. Und dann ist sie mit von der Partie.«
    »Sie wird sich nicht drauf einlassen.«
    Henry sah hoch und musterte Two. »Musstest du unbedingt den Bimbo mitbringen? Ausgerechnet hierher?«
    »Er macht, was er will.«
    »Ich verstehe das nicht. Ich heuere dich an, und du bringst diesen Kerl mit hier runter.«
    »Das hat dich bloß eine Zugfahrkarte gekostet. Reg dich ab. Er musste hinten

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