Kahlschlag (German Edition)
Holiday war eine Hure.
Sunset nahm den Revolver aus dem Holster und schaute nach, wie viele Kugeln in der Trommel steckten. Es waren fünf. Sie schob noch eine hinein. Jetzt waren es sechs. Dann drehte sie die Trommel. Saß eine Weile ruhig da. Wendete den Wagen und machte sich wieder auf den Weg.
In der Stadt angekommen fuhr sie langsam die Straßen entlang in der Hoffnung, Hillbilly zu sehen, aber er war wie vom Erdboden verschluckt. Sie hielt an und ging ins Café. Kein Hillbilly. Sie versuchte es noch an einigen anderen Stellen, aber erfolglos. Wenn die Leute auf der Straße ihren Gesichtsausdruck sahen, machten sie ihr sofort Platz.
Sie lief die ganze Stadt ab, konnte ihn aber nirgends entdecken. Schließlich fühlte sie sich so schwach, als würde sie sich gerade von einer Krankheit erholen. Der Hillbilly-Krankheit. Das Fieber ließ allmählich nach.
In dem Moment wurde ihr klar, dass sie ihn nicht finden würde. Ihn auch nicht finden sollte. Das durfte nicht passieren. Jedenfalls nicht jetzt. Nicht so, wie sie sich gerade fühlte. Nicht mit sechs Kugeln in der Trommel. Wenn sie ihn jetzt fände, würde sie tun, was sie tun wollte, und das durfte sie nicht. Sie war das Gesetz. Sie musste sich um Karen kümmern. Und um den alten ausgesetzten Hund, Ben, dem sie versprochen hatte, ihn nicht im Stich zu lassen. Sie musste auf ihn aufpassen. Außerdem hatte sie jetzt einen Vater, und dann war da noch dieser dumme Junge, der, den sie Goose nannten. Der war wahrscheinlich auch Teil des Päckchens, das sie zu tragen hatte. Verdammt, vielleicht hatte der auch noch irgendwo einen Hund, am besten mit drei oder vier Welpen; oder eine Schwester mit einer Katze.
Nein. Sie konnte nicht tun, was sie tun wollte. Irgendetwas musste sie natürlich tun, aber nicht Hillbilly in den Kopf schießen, so sehr ihr im Moment auch danach war. Man würde sie dafür lynchen. Nicht nur, weil sie schuldig wie noch mal was wäre, sondern weil, wie Henry gesagt hatte, so viele sie hassten. Eine hochnäsige Frau. Fast so schlimm wie ein hochnäsiger Nigger. Nein. Sogar schlimmer. Für die war sie nicht nur eine Frau und hochnäsig, sondern auch noch eine Niggerfreundin. Eine Frau mit Polizeimarke und Waffe, deren Mann von ihrer Hand gestorben war. Dabei sollte sie eigentlich über den Herd gebeugt stehen und kochen, das Kleid hochgeschoben, weil ihr Mann sie gerade von hinten nahm, während sie mit einem Fuß die Kurbel des Butterfasses bediente und mit dem anderen die Wiege zum Schaukeln brachte.
Sie ging zu ihrem Auto zurück, als würde sie Ameisen zerstampfen, und fuhr los. Der Tag neigte sich allmählich seinem Ende zu, und der Horizont sah aus, als hätte man ihn mit einem Rasiermesser aufgeschlitzt.
Als sie zu Hause ankam, war Marilyn auf der einen Seite des Grundstücks mit einem Lochspaten am Graben. Clydes Pick-up war fort. Sonst war niemand zu sehen.
Sie ging zu Marilyn hinüber. »Wo sind denn alle?«
»Jetzt hätte ich mir beinahe in die Hose gemacht, so wie du dich angeschlichen hast, meine Liebe.«
»Tut mir leid.«
»Karen ist im Zelt. Goose hat sich eine Schrotflinte ausgeliehen und ist Eichhörnchen jagen gegangen. Lee und Clyde wollten in Holiday was erledigen.«
»Was denn?«
»Das haben sie nicht gesagt.«
»Vermutlich ein Bier trinken.«
»Vielleicht. Hillbilly hat Clyde brutal zusammengeschlagen.«
»Hillbilly?«
»Er hat ihn verprügelt wie einen Galeerensklaven.«
»Das kann ich nicht glauben.«
»Glaub es ruhig. Wenn er noch ein bisschen übler ausgesehen hätte, hättest du ihn beerdigen können. Ich denke, Lee ist mitgefahren, um ihn ein wenig aufzumuntern.«
Sunset nickte. »Was tust du da?«
»Ich grabe ein Loch«, antwortete Marilyn lächelnd.
»Wozu?«
»Für eine Wäscheleine. Karen hat gesagt, ihr hängt die Wäsche über Büsche.«
»Das stimmt.«
»Mit einer Wäscheleine geht es besser.«
»Ich wollte selbst schon Löcher graben und Pfosten zuschneiden, bin aber noch nicht dazu gekommen. Ich hasse Löcher graben. Und Holz schneiden auch. Eigentlich hasse ich diese ganze Arbeit überhaupt.«
»Mit einem Lochspaten geht es leichter als mit einer Schaufel. Damit kann ich den ganzen Tag arbeiten. Man kommt schneller in die Tiefe, und verbreitern kannst du das Loch damit auch ziemlich gut. Für eine Frau ist er leicht zu handhaben. Macht sogar Spaß und tut einem gut, hier draußen in der frischen Luft. Und deinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, wäre es wohl nicht das Verkehrteste,
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