Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
Sie waren geschickte Arbeiter, hatten ihre Stärken, und sei es nur, dass sie Stiefel ausbessern konnten, Zelte flicken oder Brot backen. Diese Fähigkeiten machten sie umso beliebter, je freigiebiger sie damit umgingen, den Kameraden halfen, sich zu Arbeiten freiwillig meldeten, sich nützlich machten und dabei ein sonniges Gemüt bewahrten.
So kam es, dass sie alle sich ganz wunderbar eingefügt hatten und bei ihren Vorgesetzten nur dadurch auffielen, dass sie keinen Ärger machten und man sie daher weitgehend in Ruhe lassen konnte.
Salius sah auf. Claudius kam wie zufällig vorbeigeschlendert. Es wurde dunkel und nur noch die Nachtwachen hatten ernsthaft zu tun. Alle anderen Legionäre vertrieben sich die Zeit, spielten mit den Würfeln, arbeiteten an ihrer Ausrüstung, aßen noch etwas. Theodosius hatte Wein ausschenken lassen, für die schlichteren Gemüter auch Bier. Die Stimmung war nicht schlecht, denn die Mägen waren gefüllt und es stand kein Kampf bevor. Langeweile war der größte Feind, den es derzeit zu bezwingen gab.
»Und?«, fragte Salius, als sich sein Kamerad neben ihn hockte.
»Allen geht es gut.«
Claudius hatte die Runde gemacht, leutselig, freundlich, scherzend. Die beiden anderen seiner Gefährten waren demnach wohlauf und wurden akzeptiert. Sie warteten auf seine Befehle, doch bis jetzt gab es nur eine einzige Anweisung: stillhalten. Brav den Dienst verrichten. Befehle ausführen. Nicht negativ auffallen. Eifrig sein.
Sie alle mussten näher an den neuen Heermeister heran.
Salius machte sich keine Illusionen über seine Chance, den Anschlag, so er erst einmal angelaufen war, auch zu überleben. Mit Glück und guter Planung würde er seine Klinge in den Körper des Zeitenwanderers senken können, aber nur, um sofort daraufhin oder nach einer Gefangennahme mit längerer Folter ebenfalls dem Tode überantwortet zu werden.
Salius sah Claudius an und nickte lächelnd. Er reichte ihm eine Schale Getreidebrei, frisch zubereitet, und einen Holzlöffel. Der junge Mann ächzte und nahm die Nahrung entgegen.
Salius hatte darauf geachtet, nur Freiwillige mitzunehmen. Es gab nur geringe Chancen, dass einer von ihnen überleben würde. Andererseits – man sollte nicht zu fest mit seinem eigenen Tode rechnen, das war schon immer der Leitspruch des alten Zenturios gewesen. Es ergab sich immer mal wieder eine Chance, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen. Würde sich eine solche ergeben, so war Salius der festen Absicht, diese auch zu nutzen.
Er setzte seine eigene, mittlerweile geleerte Schale zur Seite und genoss für einen Moment die angenehme Wärme in seinem Magen, ehe er betont rülpste und schaute, ob noch Wein da war.
Wieder schaute Salius wie beiläufig auf das große Feldherrnzelt. Von Klasewitz war selten hier, hielt sich meist in seinen Werkstätten und Lagerhallen auf. Doch zwei Tage in der Woche weilte er im großen Heerlager, das er bis nach Ravenna zurückgezogen hatte, um zu warten.
Das war es, was Salius nicht verstand.
Worauf warteten sie eigentlich? Die Witterung war in Ordnung. Er hatte damit gerechnet, dass die Armee des Maximus längst auf dem Weg war, Theodosius zu jagen. Gerüchte besagten, der Spanier setze seine Leute nach Afrika über. Wartete man darauf, dass dies geschah, um ihm später zu folgen? Was für einen Sinn ergab das?
Salius war kein Stratege. Seine Stärken lagen auf anderen Gebieten. Doch er machte sich seine Gedanken und je mehr er das tat, desto größer wurde das Gefühl dräuenden Unheils, das ihn dabei beschlich.
Jemand schlug die Decken vor dem Eingang des Feldherrnzeltes zurück. Legionäre standen stramm und salutierten. In der zunehmenden Dämmerung nicht gut erkennbar, konnte Salius doch von Klasewitz ausmachen, der ein paar Worte mit den Soldaten wechselte und mit einem Becher Wein in der Hand die frische Abendluft genoss.
Claudius flüsterte. »Es ist nicht weit. Ich könnte ihn erwischen.«
Salius nickte unmerklich. Claudius war gut mit dem Wurfmesser. Ein Meister. Aber es konnte genauso gut schiefgehen. Und sie hatten nur diese eine Chance.
»Trink noch etwas Wein«, erwiderte er dem jungen Mann und hob die kleine Amphore hoch. »Es ist noch nicht an der Zeit.«
Er sah, wie der Zeitenwanderer zu einem Spaziergang ansetzte, begleitet von vier Männern seiner Leibgarde.
Er wirkte sehr entspannt, ja fast fröhlich, fand Salius.
Es war noch nicht an der Zeit.
Salius goss sich selbst noch etwas von dem säuerlichen Wein ein.
Aber
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