Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)
Stimme ist vor Begeisterung ganz rau und von Störungen verzerrt.
»… Der Pitcher der Reds ist At Bat. Joe Dawson steht an der Platte! Wir haben in der zweiten Hälfte des neunten Innings einen Run weniger. Zwei unserer Männer sind out und zwei auf der Base. Zwei Schlagfehler und zwei Bälle im Count. Moment mal … Dawson tritt von der Platte zurück. Er steht dahinter und deutet auf das Center Field! Und zur oberen Tribüne! Für wen hält der Knabe sich, für Babe Ruth? …«
An einem Palmenstamm, der die Freiwurflinie des linken Spielfelds markiert, plärrt ein Radio. Jack Romaine steht lachend in Shorts auf der improvisierten Abwurfstelle. Sein Sohn Martin, gut aussehend und braungebrannt wie ein Filmstar, steht auf einem Jutesack und schwingt seinen Schläger. Mamere sitzt im Schatten der Bäume und schaut zu. Daneben fläzt sich Luna, mit ihrer blauen Haut und dem rabenschwarzen Haar auf einer braunen Decke im strahlend weißen Sand ausgestreckt. Im Arm hält sie einkleines Kind, Tommy Specks Tochter. Die ist in das Mysterium vertieft, das eine Orange darstellt.
Jack winkt Luna vom Abwurfhügel aus heftig zu.
»Komm schon, Dad!«
Der junge Mann richtet über dem Sack seinen Schläger aus.
»Schick mir was rüber, wo ich draufhauen kann.«
»Alles klar, du Schläger.«
Der Wind-up. Der Wurf. Der Ball prallt wie ein Komet von Martins Schläger ab und in dem Moment ruft der Radiosprecher: » Homerun! Ein Homerun WEIT in die Centerfield-Tribüne! «
Jacks Sohn rennt den Parcours aus Taschen bis zur Homebase ab und in die Arme seinen Vaters. Luna jubelt ihnen von ihrer Decke aus zu. Und wenn man hinter dem Baseballfeld ein bisschen weitergeht, dann kommt man wieder hin, zum …
»Kaleidoscope Café«. Es ist viel los an diesem Nachmittag in der Siedlung. Gregory Lagopolus und sein empfindungsloser Zwillingsbruder folgen Gregs Sohn zu einer Eismaschine. Friederich der Unvergleichliche macht eine Grätsche um seine Hoden, um auch mal an der Kurbel zu drehen. Pinhead bringt Penguin und Half Track einen Teller mit Hotdogs. Jo Jo, Giant und der Rest dieser ungewöhnlichen Familie sitzen mit Artisten und Arbeitern beim Essen zusammen, während Jacques und Marcel mit den Hilton Sisters ein Quartett bilden, das harmonische Unterhaltung bietet.
Einige Leute werfen Hufeisen, andere spielen Domino oder Dame. Jack Earl spielt mit einem Zwerg Karten, der ihm kaum bis an die Knie reicht. Cassandra beugt sich mit ihrem Doppeldekolleté über ihre Tarotkarten und stellt ihre besondere Gabe zur Schau. Und Peewee …
Die Prinzessin sitzt an ihrem speziellen Platz auf der Veranda und trinkt Daiquiri, einen Roman und eine Zeitung griffbereit. Sie kann die neuesten Nachrichten vom Baseballplatz her hören.
… Die Runner kommen an – eins, zwei – und die ganze Mannschaft stürzt sich auf Dawson an der Platte. Der Pitcher … Joe Dawson! Wer hätte das gedacht? Joe Dawson haut einen Homerun raus und gewinnt das Spiel!
Die Prinzessin wendet ihr breites Grübchengesicht ihrem Nektarbecher zu, auf dessen Rand ein Prinz balanciert. Danaus Plexippus fächelt sachte mit den Flügeln, um das königliche Blut in seinen wundervollen Venen zu kühlen. Rostrote Flügel mit schwarzer Zeichnung. Bei genauem Hinsehen fällt jedoch auf, dass er nicht ganz unversehrt ist. Ein Flügel ist verblasst und rissig, wohl das Ergebnis einer bitter schmeckenden Begegnung mit einem Spatz, einer Eule oder einem anderen Räuber. Er ist erst vor wenigen Wochen geschlüpft, dieser zähe Nomade. Er hat noch keinen Nachwuchs gezeugt, hat nicht mal seine Wanderung beendet, aber betrachtet man ihn hier in königlicher Gesellschaft, so wird klar …
Seine Metamorphose ist vollendet.
ENDE
DANKSAGUNGEN
Mein Interesse am Schaustellerdasein habe ich ausschließlich dem talentierten und begeisterten Filmemacher Robert Nowotny zu verdanken, der mich vor Jahren drängte, ein Drehbuch für einen Spielfilm zu schreiben, einen ganz ungenierten Genrefilm, der auf einem Jahrmarkt mit Schaustellern, Bauernfängern und Exhibitionisten spielt. Viele Leute aus Florida werden bei der aufkeimenden, aber fiktiven Gemeinde Kaleidoscope Ähnlichkeiten mit dem noch heute bestehenden Städtchen Gibsonton in der Nähe von Tampa feststellen. Der Roman erzählt nicht die tatsächliche Geschichte der Leute von Gibsonton, und die Personen sind bis auf ein paar Randfiguren frei erfunden. Aber selbst bei nicht allzu intensiver Beschäftigung mit Schaustellergemeinden,
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