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Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Titel: Wie keiner sonst / ebook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas T. Bengtsson
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I ch bin gerade sechs geworden, als Olof Palme erschossen wird. Es ist Februar, und draußen ist es sehr kalt. Mein Vater und ich sitzen in der Küche, wir essen Brötchen, ich zeichne. Wir hören es im Radio. Mein Vater dreht lauter. Die Frau im Radio hört sich an, als wäre es sehr wichtig. Eine große Neuigkeit. Ich schnipse einen Mohnsamen über den Tisch. Mein Vater sagt, ich solle mich anziehen. Ich kann meine Socken nicht finden. Mein Vater bückt sich und steckt meine nackten Füße in die Gummistiefel.
    Wir gehen hinunter auf die Straße. Mit festem Griff hält mich mein Vater am Arm. Er blickt stur geradeaus. Zieht mich hinterher. Ich bin eine Tasche. Ein Koffer mit kleinen Rädern. Ich sage ihm, dass es wehtut. Dass er zu schnell läuft, aber der Wind bläst die Worte weg.
    Samstags ist sonst immer viel los. Autos verlassen und suchen Parkplätze, alte Damen mit Einkaufsnetzen. Die letzten Besorgungen, bevor alles schließt. Aber heute nicht, heute haben wir die Straßen für uns.
    Die Stadt ist nicht groß, wir sind schnell in der Hauptstraße. Mein Vater blickt stur geradeaus, sein Mund ist ein Strich. Ich glaube, er hat vergessen, dass er mich mitzieht.
    Mein Vater hat halblanges, blondes Haar mit rötlichem Schimmer, genau wie sein Bart. Er rasiert sich einmal pro Woche, dann darf der Bart wieder wachsen. Die Haare schneidet er sich selbst in der Küche. Die Zigarette ist ein Teil seiner Hand, ein Extraglied an seinem Finger. Er trägt nur ein T-Shirt unter offenem Mantel, aber er friert nicht. Mein Vater friert selten. Ich friere fast immer. Ich finde, dass ich ihm ähnlich sehe. Wenn ich groß bin, will ich auch den Bart wachsen lassen.
    Er findet, dass ich meiner Mutter ähnlicher sehe. Gut so, sagt er, denn sie war schön.
    Wenn ich groß bin, will ich auch den Bart wachsen lassen, sage ich, aber wieder bläst der Wind die Worte weg, zerrt an den Bäumen und spielt auf Fallrohren Flöte.
    Wir kommen zum einzigen Fernsehladen der Stadt. Alle Apparate im Fenster zeigen dasselbe Bild, manche in Farbe, andere in Schwarz-Weiß. Schon sind wir drinnen, mein Vater lässt mich erst los, als wir vor der Wand voller Fernseher stehen. Große und kleine Preisschilder mit langen Zahlen. Wenn die Frau im Fernsehen den Kopf bewegt und auf ihr Papier guckt, machen die Frauen in den übrigen Apparaten die Bewegung nach. Es erinnert mich an ein Spiel, das wir im Kindergarten einer anderen Stadt gespielt haben.
    Der Verkäufer steht ein paar Meter neben uns, er trägt ein gestreiftes Hemd mit Namensschild auf der Brust und schaut auf einen der oberen Bildschirme, den Mund leicht geöffnet. Eine alte Dame hat ihre Plastiktüten abgestellt und nicht bemerkt, dass vier Äpfel herausgekullert sind. Mein Vater blickt sich suchend um, kann sich nicht entscheiden. Dann wählt er einen großen Farbfernseher in der Mitte. Die Lautstärke ist schon hoch, aber er dreht noch lauter. Jetzt steht mein Vater ganz still, wie die anderen. Der Erste, der sich bewegt, hat verloren.
    Im Fernsehen laufen Bilder einer dunklen Straße mit Verkehrsschildern und Schnee. Stockholm. Ein Bürgersteig ist mit rot-weißem Plastikband abgesperrt, rundherum stehen Menschen. Auch sie bewegen sich nicht. Manche halten die Hand vor den Mund. Die Frau im Fernsehen spricht langsam, als wäre sie gerade aufgewacht. Sie sagt, Olof Palme sei mit seiner Frau auf dem Heimweg vom Kino gewesen. Sie hatten sich Die Gebrüder Mozart angesehen.
    Auf den grauen Platten des Bürgersteigs sind dunkle Flecken, wie Farbe. Die Kamera bewegt sich dichter heran. Blut, sagt mein Vater, ohne den Blick abzuwenden.
    Wieder gehen wir die Straße entlang. Schnell, als müssten wir vor den Bildern im Fernsehen davonrennen.
    Ich glaube, wir sind auf dem Heimweg, aber bei der geschlossenen Metzgerei geht mein Vater nach rechts. Hinunter zum Hafen, durch die schmale, gepflasterte Gasse.
    Mein Vater setzt sich auf eine Eisenschwelle, ich setze mich so dicht wie möglich neben ihn. Das Wasser vor uns ist schwarz. Ein paar Kutter fahren ein, weiter rechts steht ein großer Kran, sein Haken hängt direkt über dem Wasser. Der Himmel ist grau.
    Mein Vater verbirgt das Gesicht im Mantelärmel, laute Schluchzer dringen durch den dicken Stoff. Er hält meine Hand so fest, dass es wehtut.
    »Jetzt haben sie ihn«, sagt er. »Verdammt, jetzt haben sie ihn.«
    Es ist das erste Mal, dass ich meinen Vater weinen sehe. Ich frage, ob er Palme kannte, aber er antwortet nicht. Er drückt mich

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