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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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eingesperrt vorkommen würde. Auch das sagte sie nicht. Sie sagte, daß sie ihr Herz sorgfältig geprüft habe und zu der Überzeugung gekommen sei, Henry Trellen nicht zu lieben.
    Die Camerons hätten die Verbindung gern gesehen; da Garnet indessen mit einer solchen Entschiedenheit ablehnte, bestanden sie nicht darauf. Sie hatten sich selbst aus Liebe geheiratet und hegten den Wunsch, daß ihrer Tochter ein gleiches Glück widerfahren möchte. Garnet hatte viel Zeit, und ihre Mutter sorgte dafür, daß sie Gelegenheit erhielt, junge Herren ihrer Kreise kennenzulernen.
    Garnet liebte ihre Eltern. Es waren liebenswerte Menschen, und sie war ihnen herzlich zugetan und durchaus geneigt, ihnen Freude zu machen. Aber sie verabscheute die jungen Herren, die sie ihr zur Auswahl präsentierten. Es waren dies nicht selten hübsche und nette Jungen, immer vermögend und zuweilen reich, aber ausnahmslos zum Sterben langweilig. Sie glänzten mit ihren guten Manieren und benahmen sich so, als seien junge Damen keine ernst zu nehmenden Menschen. Sobald man sie reden hörte, erhob sich ganz von selbst eine Nebelwand, die Männer und Frauen in zwei Welten schied; jeder natürliche Zugang von der einen zur anderen Welt erschien von vornherein hoffnungslos versperrt. Garnet ließ sich die Schmeicheleien ihrer Anbeter gefallen, tanzte mit diesem und flirtete mit jenem und verstand beides recht gut, aber es war nicht die Spur Aufregung dabei. Es gefiel ihr gar nicht und widersprach durchaus ihrem Charakter, etwas zu sagen und das Gegenteil zu meinen; ihr Wesen war so natürlich wie ein Regenschauer im Frühling. Sie beobachtete die anderen jungen Damen der Gesellschaft, sah sie flüstern und raunen, tuscheln und geheimnisvoll mit den Lidern zucken, und fand sie albern und dumm. Das alles konnte sie auch, wenn sie wollte, aber sie tat es nicht gern, ihr Herz blieb dabei völlig unbeteiligt; dieser ganze Betrieb ermüdete sie.
    Ein Mädchen mußte wohl Verehrer und Liebhaber haben; die Welt war nun einmal so eingerichtet, aber Garnet fand, es müsse doch eigentlich irgendwo auf der Welt einen jungen Mann geben, der in ihr einen vernünftigen Menschen sehen und auch so mit ihr reden würde. Eigentlich müßte es, fand sie, sogar in New York so einen Menschen geben.
    Garnet hatte ihr ganzes Leben bis auf die Institutsjahre in New York zugebracht, aber sie wußte nicht viel von dieser Stadt. Das wurde ihr oft bewußt in diesem Herbst, wenn sie am Fenster stand und die Bäume auf dem Union Square betrachtete, deren Zweige im Oktoberwind knarrten. New York – eine so große und fröhliche, eine so heitere und aufregende Stadt – und sie hatte so wenig davon. Da gab es so viele Straßen und Plätze, die zu betreten ihr nicht erlaubt war, von denen sie gehört, die sie aber nie betreten hatte.
    New York wuchs wie ein Weinstock in der Morgensonne. Die Stadt zählte jetzt, im Herbst 1844, nahezu vierhunderttausend Einwohner; noch vor zehn Jahren waren es nur dreihunderttausend gewesen. Eine direkte Eisenbahnlinie führte nach Philadelphia, eine andere nach White Plains; es gab Fährboote, die alle fünf Minuten nach Brooklyn fuhren, und Dampfwagen nach Haarlem, die alle fünfzehn Minuten das City Hall Depot verließen. Prächtig ausgestattete Volksbäder gab es, in denen man für fünfundzwanzig Cents unter einer Brause stehen oder in einer marmornen Badewanne liegen konnte. Bei Castle Garden, gegenüber der Brücke von Battery, waren zwei Schwimmbassins, eins für Damen und eins für Herren. In den Parks sprudelten Springbrunnen, und auf den Straßen gab es Feuerhydranten, denn New York besaß die modernsten Wasserwerke der Welt.
    Der Broadway begann an der Battery und endete an der Vierzehnten Straße. Schritt man diese zwei Meilen lange Prachtstraße entlang, berührte man die berühmtesten Plätze von New York. Der heiterste und liebenswürdigste Platz der ganzen Stadt war der City Hall Park. Ging man den Broadway hinauf auf den Park zu, passierte man auf der linken Seite an der Ecke der Vesey Street das berühmte Astorhaus, das erste und eleganteste Hotel ganz Amerikas. Es war fünf Stockwerke hoch; weiße Stufen führten zwischen imposanten Säulen zum Eingang empor. Dem Astorhotel gegenüber befand sich Barnum’s Museum. Ein großes Plakat, auf dem Seejungfrauen und Seeschlangen abgebildet waren, kündete an, was man drinnen zu sehen bekam. Gleich hinter dem Museum begann der Park.
    Rund um den Park standen Restaurants und Theater,

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