Kalt wie Stahl - Der 3 Joe Kurtz Thriller
einen handgeschriebenen Brief von seiner früheren Cheerleader-Freundin auszuhändigen.«
O’Toole blickte von ihren Notizen auf und nahm die Hornbrille ab. »Sah der Footballheld denn noch wie ein Footballheld aus?«, hakte sie mit der winzigsten Andeutung eines Lächelns nach.
»Sie gehörten beide zum Abschlussjahrgang 1961 an der Kenmore West. Der Kerl ist fett, kahl und lebt in einem Wohnwagen, der schon bessere Zeiten erlebt hat. An der Seite flattert eine Südstaatenflagge, daneben parkt ein klappriger 72er Camaro.«
O’Toole verzog das Gesicht. »Und die Cheerleaderin?«
Kurtz zuckte die Schultern. »Wenn es ein Foto gab, dann befand es sich in dem versiegelten Brief. Aber ich kann sie mir lebhaft vorstellen.«
»Ersparen Sie mir besser die Details«, unkte O’Toole. Sie setzte ihre Brille wieder auf und schielte auf ihre Akte. »Wie läuft es mit Wedding Bells?«
»Geht langsam in die heiße Phase. Arlene hat die Vorarbeit für die Website erledigt, Kontakte zu Schneidern, Druckereien, Konditoreien, Musikern, Kirchen und Festsälen hergestellt und die Verträge aufgesetzt – allmählich kommt Geld herein, wenn ich auch nicht genau weiß, wie viel. Mit diesem Teil der Firma habe ich nicht viel zu tun.«
»Aber Sie sind Investor und Mitbesitzer?« In der Stimme der Bewährungshelferin schwang nicht eine Spur von Sarkasmus mit.
»Sozusagen.« Kurtz wusste, dass O’Toole sich im Juni beim Besuch in ihrem neuen Büro den Gesellschaftervertrag angesehen hatte. »Ich stecke einen Teil meines Einkommens aus Sweetheart Search in Wedding Bells und kassiere dafür einen Anteil am Gewinn.«
Kurtz verstummte. Er überlegte, wie die Schwerverbrecher und Messerstecher oder die Jungs von der Arischen Bruderschaft im Gefängnis von Attica reagieren würden, wenn sie ihn so reden hörten. Gut denkbar, dass die D-Block-Mosque das Kopfgeld, das sie auf ihn ausgesetzt hatte, aus reiner Verachtung von 15.000 auf 10.000 Dollar absenkte.
O’Toole fingerte nervös an ihrem Brillengestell herum. »Ich spiele mit dem Gedanken, Mrs. Demarcos Dienste in Anspruch zu nehmen.«
Kurtz blinzelte. »Wedding Bells? Für die Planung einer Hochzeit?«
»Ja.«
»Zehn Prozent Rabatt für persönliche Bekannte. Ich meine, Sie haben Arlene schließlich kennengelernt.«
»Ich weiß, was Sie meinen, Mr. Kurtz.« O’Toole rutschte auf dem Stuhl herum. »Haben Sie noch Ihr Zimmer im … wie hieß das Hotel? Harbor Inn?«
»Ja.« Kurtz’ alte Absteige, das Royal Delaware Arms in der Nähe der Innenstadt, war im Juli von der Bauaufsicht geschlossen worden. Nur die Bar in dem riesigen alten Gebäude hatte noch geöffnet und angeblich bestand die einzige Kundschaft aus den Ratten, die sich im maroden Mauerwerk herumtrieben. Kurtz brauchte eine feste Adresse für seine Bewährungsakte und dafür diente ihm das Harbor Inn. Er war noch nicht dazu gekommen, O’Toole zu gestehen, dass das kleine Hotel im Süden der Stadt schon vor Jahren Konkurs angemeldet hatte. Die Miete für das verfallene Haus kostete weniger, als er damals für sein Zimmer im Delaware Arms hinblättern musste.
»An der Kreuzung Ohio und Chicago Street?«
»Richtig.«
»Ich würde nächste Woche gern vorbeikommen und es mir ansehen«, kündigte die Bewährungshelferin an. »Nur damit alles seine Richtigkeit hat.«
Verdammt, dachte er. »Sicher.«
O’Toole lehnte sich zurück, und Kurtz nahm an, dass sich ihr Plauderstündchen damit dem Ende näherte. Ihre Treffen waren in den letzten Monaten zur reinen Formsache geworden. Er fragte sich, ob Officer O’Toole allgemein entspannter und lockerer wurde, jetzt wo der drückend heiße Sommer vorbei und das angenehme Herbstklima im Anmarsch war. Die Blätter am einzigen Baum vor dem Fenster ihres Büros leuchteten orange und waren bereit, sich vom Wind abreißen zu lassen.
»Sie scheinen sich vollständig von Ihrem Autounfall letzten Winter erholt zu haben«, bemerkte die Bewährungshelferin. »Bei Ihren letzten Besuchen fiel mir kaum noch auf, dass Sie hinken.«
»Ja, ich bin fast wieder ganz der Alte.« Kurtz’ Autounfall im Februar hatte darin bestanden, abgestochen und aus einem Fenster im zweiten Stock geschleudert zu werden und anschließend durch das morsche Betonvordach des alten Buffaloer Bahnhofs zu krachen. Er hielt es nicht für zwingend notwendig, die Bewährungskommission über sämtliche Einzelheiten seines Lebens als Zivilist in Kenntnis zu setzen.
Die Lügengeschichte zog eine für Kurtz sehr
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