Bahama-Krise
Vorwort
M ein Name ist Tom Mangan. Ich stamme von den
Bahamas. Aber meine Hautfarbe ist weiß. Diese Tatsache verursachte
einigen Aufruhr, als ich in Cambridge ins Internat kam. Es ist
bemerkenswert, wie schlecht informiert man in England ist, wenn es um
die Bahamas geht. Meine Schulkameraden empfingen mich mit der
Feststellung, ich könne unmöglich von den Bahamas kommen. Die Leute von
dort seien nämlich Schwarze. Man sagte mir auch, daß die Bahamas in der
Karibik liegen, was nicht zutrifft. Viele Engländer, die ich
kennenlernte, verwechselten die Bahamas mit Bermuda oder gar mit
Barbados.
Die Bahamas sind eine Inselkette, deren Ausläufer bis auf
fünfzig Meilen an die Küste von Florida heranreichen. In einem
fünfhundert Meilen großen Bogen verläuft die Inselgruppe dann in
Richtung Südwesten, wo sie in einer Entfernung von etwa fünfzig Meilen
vor Kuba endet. Das Archipel besteht aus insgesamt siebenhundert Inseln
von unterschiedlicher Größe. Auf den Bahamas werden die einzelnen
Eilande Cays genannt, ausgesprochen wird das Wort wie ›Kies‹. Außer den
Cays gibt es noch zweitausend unbewohnte, oft winzig kleine
Felseninseln. Es gibt Riffe und Untiefen. So bedeutet auch der Name
›Bahamas‹ nichts weiter als ›Untiefe‹. Das Wort wurde aus dem
spanischen ›baja mar‹ abgeleitet. Damit bezeichnen die spanischen
Seeleute Felsbänke, die vom flachen Wasser, vom ›niedrigen Meer‹,
überspült werden.
Was meine Herkunft angeht, so stamme ich von
Amerikanern ab, die im Unabhängigkeitskrieg auf der Seite Englands
kämpften. Nur wenige Leute wissen, daß bei diesem Konflikt mehr
Amerikaner auf der britischen Seite kämpften als auf der Seite der
Rebellen.
Trotzdem verlor England den Krieg; die militärische Führung
war ganz einfach unfähig. George Washington, dessen Truppen in der
Minderzahl waren, konnte den Sieg an seine Fahnen heften. Die
amerikanische Nation war aus der Taufe gehoben.
Für jene Amerikaner, die auf Seiten der Rebellen gekämpft
hatten, begann eine recht unbequeme Zeit. Von ihren Landsleuten wurden
sie verachtet. Und die Engländer kümmerten sich nicht mehr um sie, der
Mohr hatte seine Schuldigkeit getan. Die Zukunft für diese Leute sah so
düster aus, daß viele von ihnen auswanderten. 1784 landete ein gewisser
John Henry Mangan mit seiner Familie auf der Insel Abaco, die zu den
Bahamas gehört.
Abaco ist ein gottverlassener Platz am Ende der Welt. Um die
Hauptinsel scharen sich auf eine Strecke von einhundertdreißig Meilen
kleinere Inseln und Cays, die zu Abaco gerechnet werden. Die meisten
Cays sind Korallenriffe. Abaco selbst allerdings erhebt sich auf einem
Sockel aus Kalkstein. Die Insel ist mit nahezu undurchdringlichem
tropischem Buschwerk zugewachsen. Es gab damals Pläne, insgesamt 1.500
Loyalisten auf Abaco anzusiedeln, so nannte man die Amerikaner, die auf
seiten Englands gekämpft hatten. Aber die Siedler waren eine recht
zusammengewürfelte Bande. Es gab Zerwürfnisse, viele wanderten wieder
ab.
Die Siedler hatten die Insel mit leichtem Herzen wieder
verlassen. Abaco hat wenig zu bieten. Der Boden hier ist so unfruchtbar
wie auf dem Rest der Bahamas auch. Eine dünne Humusschicht, die sich
schon nach wenigen Ernten erschöpft. Immer schon haben die Bahamas
unter diesem Mangel gelitten. Was man auch pflanzte, ob Tomaten,
Ananas, Zuckerrohr, Sisalhanf oder Baumwolle – die Erträge
wurden bald so karg, daß man aufgeben mußte. So wird verständlich, daß
es auf den Bahamas drei Ortschaften gibt, die den Namen Hard Bargain
tragen. ›Schindacker‹ würde man auf deutsch sagen.
Immerhin konnte man auf Abaco überleben, wenn man nicht zu
hohe Anforderungen an das Leben stellte. Das Meer lieferte Fische. Und
was auf den Feldern wuchs, reichte für den Bedarf der Familie, die das
Feld bebaute. Jedenfalls gelang es John Henry Mangan nicht nur zu
überleben. Er brachte es sogar zu Wohlstand, ähnlich wie die Sands, die
Lowes, die Roberts und einige andere Familien amerikanischer Herkunft,
deren Namen man noch heute auf Abaco antrifft.
Einer meiner Vorfahren war Besitzer einer
Schiffswerft in Hope Town auf Elbow Cay. Die meisten Schiffe, die
damals den Verkehr zwischen den einzelnen Inseln gewährleisteten,
wurden auf den Bahamas gebaut. Und nicht wenige kamen von der Werft der
Mangan-Familie. So wurde der Wohlstand, den John Henry Mangan der neuen
Heimat abgetrotzt hatte, in den Folgegenerationen zum festbegründeten
Reichtum. Man muß hier sagen, daß zu
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