Kalt
Tätigkeit unter ihrer Würde, wodurch sich Chancen für Senioren auftaten, die ihre Rente aufbessern wollten.
Mrs. Santa Claus sprach Dylan mit » mein Bester « an, reichte ihm seine Bestellung in zwei weißen Papiertüten und streckte sich dann über die Theke, um ihm einen Werbebutton ans Hemd zu stecken. Auf dem Button befanden sich der Slogan BESSER ALS JEDER BRUMMER und das im Comicstil gezeichnete Gesicht einer grünen, grinsenden Kröte. In der Werbekampagne der Kette wurde geschildert, wie dieses Tier von der traditionellen Nahrung seiner warzigen Spezies zu Köstlichkeiten wie halbpfündigen Cheeseburgern mit Speck bekehrt wurde.
Da war er wieder, der dreifingrige Handschuh. Dylan begriff einfach nicht, weshalb man von ihm erwartete, die Empfehlung einer Comickröte oder eines bekannten Sportlers – oder meinetwegen auch eines Nobelpreisträgers – bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, was er zum Abendessen zu sich nahm. Außerdem begriff er nicht, wieso die Behauptung, die Pommes und Hamburger dieser Kette seien schmackhafter al s S tubenfliegen, verlockend klingen sollte. Schließlich erwartete er ohnehin, dass die besagten Fritten einen besseren Geschmack hatten als eine Tüte voller Kerbtiere.
Seine krötenfeindliche Einstellung hielt er allerdings zurück, weil er in letzter Zeit gemerkt hatte, dass er sich viel zu oft von gänzlich belanglosen Dingen ärgern ließ. Wenn er nicht allmählich abgeklärter wurde, würde er sich schon im Alter von fünfunddreißig Jahren zu einem erstklassigen Miesepeter entwickeln. Also schenkte er Mrs. Claus ein Lächeln und bedankte sich artig, um sich nicht das nächste Weihnachtsfest zu verderben.
Während er draußen unter einem fetten Mond den sechsspurigen Highway überquerte, in den Händen Papiertüten voller Cholesterin in den verschiedensten Ausführungen, erinnerte er sich an einige der vielen Dinge, für die er dankbar sein musste. Gute Gesundheit. Schöne Zähne. Tolles Haar. Jugend. Er war neunundzwanzig. Er besaß eine gewisse künstlerische Begabung und hatte einen Beruf, den er sowohl sinnvoll als auch vergnüglich fand. Obwohl er nicht gerade Gefahr lief, reich zu werden, verkaufte er genügend seiner Gemälde, um sich den Lebensunterhalt zu finanzieren und jeden Monat ein wenig Geld auf die Bank tragen zu können. Er hatte keine entstellenden Narben im Gesicht, keine Probleme mit hartnäckigem Fußpilz, keinen bösartigen, lästigen Zwilling, keine Anfälle von Gedächtnisschwund, aus denen er mit blutigen Händen erwachte, keine entzündeten Niednägel.
Und er hatte Shepherd, genannt Shep. Der war zwar gleichermaßen ein Segen und ein Fluch, sorgte in seinen besten Zeiten jedoch dafür, dass Dylan sich freute, am Leben und des anderen Bruder zu sein.
Während Dylan unter einer roten Leuchtreklame mit den Lettern MOTEL hindurchging, wo sein wandernder Schatten ein reineres Schwarz auf den vom Neon geröteten Asphalt warf, während er an niederen Sagopalmen, stachligen Kakteen un d a nderer widerstandsfähiger Wüstenflora vorbeikam, während er dem Betonweg zum Motel folgte und eindeutig während er an den summenden und leise klirrenden Getränkeautomaten vorbeiging und dabei versonnen über die losen Ketten familiärer Verantwortung nachgrübelte – wurde er verfolgt. Das Ganze geschah so verstohlen, dass der Verfolger jeden Schritt und jeden Atemzug an die Bewegungen des anderen angeglichen haben musste. Als Dylan, behindert von den Papiertüten mit dem Proviant, vor der Tür seines Zimmers mit dem Schlüssel herumfummelte, hörte er das verräterische Scharren einer Ledersohle leider erst zu spät. Er wandte den Kopf, verdrehte die Augen, sah ein bedrohlich mondbleiches Gesicht vor sich und ahnte den dunklen, in einem Bogen auf seinen Schädel niedersausenden Schatten eher, als dass er ihn gesehen hätte.
Seltsamerweise spürte er den Schlag nicht und nahm auch nicht wahr, wie er zu Boden fiel. Er hörte die Papiertüten rascheln, roch Zwiebeln, warmen Käse und Pickles, merkte, dass er mit dem Gesicht auf dem Beton lag, und hoffte, dass er nichts von Sheps Milchshake verschüttet hatte. Dann träumte er einen kleinen Traum von tanzenden Pommes frites.
2
Jillian Jackson besaß einen Geldbaum, den sie täglich mit zärtlicher Sorgfalt pflegte. Sie düngte ihn mit einer ausgeklügelten Nährstoffmixtur, goss ihn wohl dosiert und besprühte die fleischigen, ovalen, daumengroßen Blätter regelmäßig, um den Staub
Weitere Kostenlose Bücher