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Kalte Spur

Kalte Spur

Titel: Kalte Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
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als er sie überholte. Sie blieb dicht hinter ihm, während er sich den beiden Anglern näherte. Sollte er ihnen zuerst sein Dienstabzeichen zeigen? Er entschied sich dagegen. Wieder bemerkte er den Gestank, der immer schlimmer zu werden schien.
    Plötzlich spürte er, wie Sheridan ihn am Ärmel zog, drehte sich um und sah sie zum Ufer zeigen. Eine kleine Bachforelle, kaum fünfzehn Zentimeter lang, trieb seitlich auf dem Wasser. Sie war noch nicht tot, und er sah die Kiemen arbeiten, als sie mitleiderregend versuchte sich aufzurichten und wegzuschwimmen.
    »Die Fischmörder«, flüsterte Sheridan unheilvoll mit Blick auf den Mann und die Frau vor ihnen, und er nickte bestätigend.
    Der Mann musste Ende fünfzig sein und war gekleidet, als wäre er dem Titelblatt der Zeitschrift Fliegenfischer entstiegen. Er trug ultraleichte Gore-Tex-Wathosen und lederne Watstiefel, ein hellblaues Coolmax-Hemd und eine Angelweste, deren viele Taschen mit Ausrüstung vollgestopft waren. Ein Forellenkescher hing über seiner Schulter, ein ledernes Büchlein, in dem er Gattung und Größe seines Fangs verzeichnete, an einem Band an der Weste – genau wie eine kleine Digitalkamera, um die Beute zu fotografieren. Das Gesicht des groß
gewachsenen Kerls mit breiter Brust war gerötet, er hatte einen schwarz-weiß melierten Schnurrbart und bleiche, wässrige Augen. Verkaterter Firmenboss im Urlaub, dachte Joe.
    Seitlich hinter dem Mann saß eine viel jüngere Blondine mit langen, sonnengebräunten Beinen und einer nagelneuen Weste, an deren Reißverschluss noch das Etikett eines Anglergeschäfts aus der Gegend prangte. Sie hielt die Rute so angewidert von sich weg, als hätte sie eine tote Schlange in der Hand.
    Offensichtlich brachte der Mann ihr bei, wie man angelte. Oder besser: Er zeigte ihr, was für ein prima Angler er war. Vermutlich hatte das Paar auf dem Weg in die Berge vor einem Laden haltgemacht, und er hatte ihr die Weste gekauft.
    Der Mann war gerade dabei gewesen, seinen Köder an einer tiefen, ruhigen Stelle des Creeks auszuwerfen, funkelte nun aber Joe und Sheridan sichtlich verärgert über die Störung böse an.
    »Jeff …«, mahnte die Frau ihn leise.
    »Guten Tag«, sagte Joe lächelnd. »Wie läuft’s?«
    Jeff trat theatralisch vom Ufer zurück. Seine Bewegungen waren nicht aggressiv, sollten Joe und Sheridan aber deutlich machen, dass ihm die Störung missfiel und er so rasch wie möglich weiterangeln wollte.
    »Schon dreißig Fische«, sagte er schroff.
    »Achtundzwanzig«, verbesserte ihn die Frau, und er warf ihr einen wütenden Blick zu.
    »So sagt man eben«, belehrte er sie, als würde er ein Kind ausschimpfen. »Schon zwanzig Fische, schon dreißig Fische – so sagt man unter Anglern, wenn einer so scheißunhöflich ist, danach zu fragen.«
    Die Frau wich zurück und nickte.
    Joe mochte den Kerl nicht. Er kannte diesen Typ Fliegenfischer,
der alles zu wissen glaubt und sich jeden Ausrüstungsgegenstand leisten kann, von dem er in den Anglermagazinen liest. Oft waren diese Leute blutige Anfänger. Und viel zu oft wussten sie nichts von den Benimmregeln in freier Natur und den allgemeinen Geboten der Höflichkeit. Ihnen ging es einzig und allein darum, an einem Tag ihre dreißig Fische zu fangen.
    »Behalten Sie davon auch welche?«, wollte Joe wissen und lächelte noch immer. Dann fasste er in die Rückentasche seiner Weste, zog den Dienstausweis heraus und hob ihn hoch, damit Jeff begriff, warum er ihm diese Frage stellte. »Hier darf man nur sechs Fische angeln«, sagte er. »Haben Sie was dagegen, wenn ich nachsehe, was Sie behalten haben?«
    Jeff schnaubte, und seine Miene verhärtete sich.
    »Sie sind also der Jagdaufseher?«
    »Stimmt. Und das ist meine Tochter Sheridan.«
    »Und seine Tochter Lucy«, erklärte Lucy, die die beiden eingeholt hatte. »Wonach stinkt es hier, Dad?«
    »Und Lucy«, ergänzte Joe und drehte sich zu ihr um. Sie kniff sich die Nase zu. »Also halten Sie sich mit Kraftausdrücken bitte zurück.«
    Jeff wollte schon etwas sagen, überlegte es sich aber anders und verdrehte die Augen zum Himmel.
    »Wissen Sie was?«, fuhr Joe fort und sah das Paar an. Die Frau schien eine Auseinandersetzung zu befürchten. »Wie wär’s, wenn Sie mir Ihren Angelschein und die Erlaubnis zeigen, hier fischen zu dürfen? Dafür zeige ich Ihnen, wie man einen Fisch wieder richtig ins Wasser setzt, damit nicht noch mehr Forellen sterben müssen.«
    Die Frau begann sofort, in ihren engen Shorts

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