Kalte Spur
beschäftigt, an Deena rumzuritzen«, ätzte Joe.
»Wen interessiert das noch? Sie haben mich geschnappt. Also erschießen Sie mich, Sie Mistkerl, damit ich Frieden finde. Oder ich komm rüber und bearbeite Sie mit dem Skalpell.«
»Wieso hat Tuffs Pferd seinen Reiter abgeworfen?«
Logue zuckte zusammen. »Bob meinte, das sei pures Glück gewesen. Er muss das Pferd erschreckt haben, als er von Baum zu Baum schlich.«
»Warum haben Sie all die Tiere verstümmelt?« Joe nahm die Flinte fester in die Hand.
Der Arzt schüttelte den Kopf. »Ich hab keinem Tier was zuleide getan, nur dem dämlichen Pferd auf der Ranch, und da hab ich’s vermasselt.«
»Was?«, fragte Joe verblüfft.
»Aber ich weiß, wer es getan hat«, erklärte er hustend und
mit glänzenden Augen, machte einen unbeholfenen Schritt auf Joe zu und hob das Skalpell. »Die waren das.«
Erneut bemerkte Joe ein Zittern im Wacholder. Diesmal war ihm klar, dass nicht der Wind dahintersteckte, sondern etwas Riesiges, Massiges.
»Jetzt sind sie weg«, sagte Eric und fuhr zusammen, schleppte sich aber weiter vorwärts. »Aber sie kommen wieder. Und falls Sie mich für ängstlich halten …«
Der Bär, den Joe gejagt und Nate zu seiner Leidenschaft gemacht hatte, brach aus dem Wacholder hervor und stieß Logue mit solcher Urgewalt und Wut in den Rücken, dass Joe nach Luft schnappen musste.
Der Grizzly hatte gewartet, und Eric war endlich gekommen.
Mit dem um sich schlagenden Schwerverletzten verschwand der Bär wieder im Wacholderdickicht.
Sheridan träumte weiter lebhaft. Vor allem ein Traum kehrte wieder und wieder und gewann immer größere Bedeutung, bis sie ihn später als einen Abschluss betrachtete. In diesem Traum – einem von vielen, die sie in der Nacht nach Eric Logues Angriff auf Nate Romanowski hatte – tauchten die brodelnden schwarzen Wolken erneut auf. Diesmal aber stiegen die Rauch- oder Nebelfahnen vom Boden und aus den Büschen zum Himmel, als würden sie von dort angezogen. Die schwarzen, Pferdeköpfen ähnelnden Umrisse der Gewitterwolken wichen zurück, bis die Gipfel der Bighorns wieder zum Vorschein kamen, und hinterließen einen hohen blauen Himmel.
Sie glaubte, es habe einen Kampf gegeben, und zwar vor aller Augen, obwohl nur wenige ihn gesehen oder gespürt
hatten. Sie wollte glauben, der Kampf habe zwischen guten Kräften, deren Abgesandter der Bär gewesen war, und bösen Mächten stattgefunden, die ganz andere Gestalt angenommen und Eric Logue und Sani Bob rekrutiert hatten. Vielleicht hatten die Kräfte des Guten ihren Dad und Nate zeitweilig als Fußsoldaten beschäftigt. Aber das würde sie nie wissen.
Sheridan fand es bemerkenswert, wie wenig über die Verstümmelung von Rindern, Wild und Menschen gesprochen wurde. Als wünschten alle Bewohner des Twelve Sleep-Tals, es hätte sich nichts ereignet. Doch Menschen waren gestorben; Maxine hatte aus Panik ein weißes Fell bekommen; eine Familie war zerstört: die Logues.
Selbst als ihr Vater von einer Deena aus Südamerika die Mail erhielt, dort sei es zu neuen Verstümmelungen gekommen, wollte er nicht darüber reden. Sheridan hätte davon nicht einmal erfahren, wenn sie nicht mitgekriegt hätte, wie Nate das Thema mit ihm hatte besprechen wollen.
»Es gibt zu viele Löcher in der Erde«, hatte er gesagt. »Vielleicht ist etwas in die Atmosphäre geraten und hat eine Kraft angezogen wie verwesendes Fleisch die Fliegen.«
»Oder auch nicht«, hatte Dad wegwerfend geantwortet und das Thema gewechselt. Und als Nate ihn erneut darauf bringen wollte, hatte er gesagt: »Ich will nicht über etwas reden, das wir nie verstehen werden.« Und dann hatte er noch ergänzt: »Nate, ich hasse Eso-Quatsch.«
»Ich weiß«, hatte Romanowski lächelnd erwidert, und die frische Narbe hatte einen Mundwinkel leicht nach unten gezogen.
Als Sheridan später im Herbst mit ihrem Dad unterwegs war, ließ er den Pick-up auf der Brücke langsamer werden und rief Nicht-Ike, der im Fluss stand und angelte, etwas zu.
Nicht-Ike schrie lachend zurück. Sheridan fragte ihren Vater, was er gebrüllt hatte.
»Dass er drei Fische gefangen hat.« Dann hatte Joe gelächelt, als wäre er zufrieden und als wären die Dinge endlich wieder im grünen Bereich.
Danksagung
Meinen herzlichen Dank allen, deren Informationen, Hintergrundwissen, Inspiration und Können in die Entstehung dieses Romans eingeflossen sind.
Dank an Katie Oyan von der Great Falls Tribune dafür, dass sie mir ihre Reportagen
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