KALTHERZ
gehört?“ fragte sie noch einmal nach, aber Stefan zuckte nur die Achseln. Selbermann sprach wie zu sich selbst:
„Es macht mir so einen Spaß, Bilder zu malen. Ich fühle die Schulter, ich fühle den Kopf, ich fühle den Busen und ich fühle den anderen Busen. Wenn das Bild fertig ist, fühle ich mich gut. Ich will die Gabri e le malen, weil sie so eine schöne Schmusebacke hat.“
Katja musste lächeln, er war von einer Minute auf die andere wieder in seine Welt versunken. Sie hatte selten so etwas Poetisches, ja fast Lyrisches gehört. Sie war erstaunt und b e rührt, aber dann bohrte sie weiter nach.
„Was war mit dem Fenster? War es immer offen? Wer hat es zugemacht, als Lothar ins Kino gehen wollte? Ihr müsst mir alles sagen, was ihr wisst“, drängte sie die beiden.
„Du warst böse zu Lothar.“ Selbermann schaute Stefan strafend an.
„Ist gar nicht wahr“, rief Stefan laut und sprang au f gebracht auf.
„Sie sollten nicht allzu viel auf das geben, was Sie hier hören. B e hinderte haben meistens eine blühende Fantasie.“ Gertrud Wagner stand plötzlich wieder neben ihr. Sie red e te beruhigend auf Stefan ein, bis er sich wieder hi n setzte. Stefan und Selbermann schauten sich böse an und widm e ten sich e r neut ihrer Kunst.
„Ich werde der Sache mit dem geschlossenen Fenster weiter nachgehen, und Sie sollten ebenfalls alles dara n setzen herauszufinden, warum es geschlossen war oder wer es geschlossen hat“, sagte sie in scharfem Ton zu Gertrud Wagner.
„Es ist ja nicht mal sicher, ob es vorher offen war“, en t gegnete diese schnippisch.
Katja hatte genug für heute. Sie trat auf der Stelle, und außerdem hatte sie ve r dammt noch mal auch Wochenende. Bärbel kam angelaufen und brachte sie bis an die Tür.
„Bist du meine Freundin? Kommst du bald wieder, du gefällst mir“, rief sie ihr hinterher.
Katja drehte sich um und winkte ihr lächelnd zu.
Kapitel 7
Er spürt, wie sich jemand neben ihn setzt, aber der Film fesselt ihn zu sehr. Wie gebannt blickt er auf die Leinwand. Zwei Männer und eine Frau räkeln sich nackt auf dem B o den. Der eine besteigt die Frau und sein nackter Hintern bewegt sich in schnellen Bewegungen auf und ab. Der a n dere küsst die Frau und bearbeitet ihre Brüste.
„Gefällt dir das?“, raunt ihm sein Nachbar zu.
Er nickt in Gedanken, dann schaut er erschrocken se i nen Nac h barn an.
„Du gehst öfter in Pornokinos, stimmt’s?“
Er versucht, ein Stück von ihm wegzurutschen.
„Du brauchst dich doch nicht zu schämen, mir gefällt’s auch.“ Der Mann grinst.
Er nickt und schaut wieder zur Leinwand. Ab und zu dreht er sich j e doch um, schaut dann gleich wieder weg.
Als der Film zu Ende ist, fordert der andere ihn mit e i ner Kopfbewegung auf, ihm zu folgen und strebt dem Au s gang zu.
Er trottet hinter ihm her. Sie laufen zum Auto und fa h ren ein Stück durch die Stadt. Er verliert die Orientierung. Schließlich halten sie vor einer Kneipe.
Der andere lässt ihn aussteigen und schiebt ihn dann vor sich her in den Gastraum. Es ist voll, riecht nach Rauch, überall sitzen und stehen Männer, viele in Lede r kleidung mit freiem Oberkörper oder kurzen ärmellosen Hemden, die Arme tätowiert. Sie taxieren die Beiden, einige kommen auf sie zu, sie umarmen und küssen sich. „Na, was hast du denn da für einen seltenen Vogel?“, fragt einer und lacht. Der Mann bestellt Bier und Schnaps, schiebt ihn in eine Ecke zu einem Stehtisch, schüttet etwas in sein Glas und prostet ihm zu. „Nicht nur das Bier, jetzt den Schnaps hinterher, sonst schmeckt’s doch nicht, und den Schnaps auf ex.“, lacht er und prostet ihm zu; dann b e stellt der Mann sofort die nächste Runde.
Er fühlt sich schläfrig und schwindelig wird ihm auch.
„Komm mit.“ Der andere nimmt ihn am Arm, und sie gehen durch eine Tür in einen dunklen Raum.
Er kann nichts sehen, seine Augen müssen sich erst an die Dunkelheit g e wöhnen.
Der andere hält ihn fest am Arm. Dann beginnt er, an seiner Hose zu nesteln, öffnet sie und drückt seinen Kopf nach unten.
Er muss würgen, aber der andere hält ihn eisern fest.
Kapitel 8
Montagmorgen, Schneematsch auf den Straßen, kil o meterlange Staus und dann noch pochende Kop f schmerzen. Katja saß an ihrem Schreibtisch und erging sich in Selbs t mitleid. Hätte sie gestern Abend bloß nicht so viel Wein g e trunken. Aber Jochen und sie hatten endlich Zeit
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