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KALTHERZ

KALTHERZ

Titel: KALTHERZ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irmgard Schürgers
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Platz bot für entspannte A bende mit guten Freunden bei einem schönen Essen und Wein. Aber so einen Abend hat es schon länger nicht mehr g e geben, ging es Katja durch den Kopf.
    „Du hast gut reden. Bei euren Artikeln kann ja auch nicht besonders viel schief gehen, aber ich bin neu in der A b teilung und dann so ein ungewöhnlicher Fall, da stehe ich ziemlich unter Druck. Die Kollegen warten doch nur darauf, dass ich Fehler mache, und dann schieben sie mich ab in eine andere Abteilung und holen sich einen Mann.“
    Sie sah die Szene wieder vor sich, der tote Lothar an die Hauswand gelehnt. Durch ihre Arbeit tagsüber hatte sie die Bilder aus ihrem Kopf verbannen können, aber jetzt stand ihr die Szene deu t lich vor Augen.
    „Das bildest du dir doch nur ein, dass die Kollegen dich nicht haben wollen. Und außerdem bist du reichlich u n fair“, unte r brach Jochen ihren Gedankengang. „Wir haben wohl ebenso Ve r antwortung und müssen Druck aushalten. Du kennst doch die Devise unseres Che f redakteurs: Die niederen Instinkte der Menschen a n sprechen, das steigert den Umsatz.“
    Jochen hatte nach zwei Jahren als freier Mitarbeiter beim Frankfurter Anzeiger endlich eine feste Stelle in der Loka l redaktion bekommen. Er war enttäuscht, dass es nicht das Politikressort geworden war. Über politische Erei g nisse, die das Weltgeschehen beeinflussten, zu schreiben oder Politiker auch mal auf ihren Reisen zu b e gleiten, das wäre sein Traumjob. Aber bei der allgemeinen Stelle n knappheit musste er froh sein, überhaupt eine Festa n stellung e r gattert zu haben. Katja hatte sich das Gespräch mit Jochen anders vorgestellt. Erst der Fernseher und jetzt eine Di s kussion, die eigentlich keiner von ihnen wollte. Plötzlich hatte sie keine Lust mehr, von ihren widersprüc h lichen Ei n drücken im Jakob-Rohmann-Haus zu erzählen.

Kapitel 6
     
     
     
     
     
     
     
    Es begann leicht zu schneien, als sie am nächsten Mo r gen losfuhr. Jochen war erst aufgestanden, nachdem sie b e reits gefrühstückt hatte. Noch schlaftrunken kam er im B a demantel in die Küche. Seine braunen dicken Haare sta n den vom Kopf ab. Er gehörte wahrlich nicht zu den Mo r genmenschen und brauchte immer eine gewisse A n laufzeit, bis er zu normaler mensc h licher Kommunikation fähig war. Er schüttelte den Kopf, als sie von ihrem Plan erzählte, die Bewohner des Heims zu befragen oder eben einfach nur ein bisschen mit ihnen zu reden.
    „Was um Himmels w illen versprichst du dir davon?“, fragte er sie verständnislos. „Ich denke es sind b e hinderte Menschen, wie sollen die dir weiterhelfen? Oder glaubst du etwa, einen Mörder unter ihnen zu finden?“ Um eine e r neute fruchtlose Diskussion zu vermeiden, gab sie ihm e i nen Kuss. Sie versprach, nicht allzu lange im Jakob-Rohmann-Haus zu bleiben.
    Es herrschte bereits lebhafter Verkehr, obwohl es Sam s tag war. Von ihrer Wohnung in Bad Vilbel bis nach Sac h senhausen brauchte sie außerhalb der Rush-Hour höch s tens dreißig Minuten. Jochen und sie hatten sich für die g e räumige Vier-Zimmerwohnung in Bad Vilbel en t schieden, da dort die Mieten günstiger als in Frankfurt waren. Sie profitierten von der Nähe zu Frankfurt und g e nossen gleichzeitig die Annehmlichkeiten einer Kleinstadt. Es ging nicht so anonym wie in der Bankenstadt zu, die Geschäfte waren individueller; es gab sogar noch ein Näh- und Han d arbeitsgeschäft mit einer freundlichen Bedienung, die bei Bedarf die passenden Bänder oder Knöpfe herau s suchte, die die Kundinnen für ihre Handarbeiten b e nötigten. Dort fand man noch Zeit, sich die Sorgen und Nöte oder freud i gen Ereignisse wie Geburten oder Hoc h zeiten der Kunden anzuhören. Es lief alles ein bisschen ruhiger und persö n licher ab als in der Großstadt Frankfurt. Und Geld hatte die Kommune ebenfalls zur Verfügung. Ein ganz neuer Stad t teil war vor den Toren Bad Vilbels entstanden. Die Stadt wollte mit günstigen Baukrediten jungen Familien mit Ki n dern zum eigenen Heim verhelfen. Die gute finanzielle B a sis der Stadt hatte schon immer Begeh r lichkeiten bei den Politikern geweckt, Bad Vilbel irgendwann der Großstadt Frankfurt einzuve r leiben. Diesem Wunsch hatte man sich in Bad Vilbel bisher jedoch erfol g reich widersetzt und Katja wünschte, dass dies auch so bliebe.
    Die Kommissarin fuhr über die Kaiserleibrücke und warf einen Blick auf die Fran k furter Skyline. Im Radio spielten sie eine Coverversion von „Killing me softly“.

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