Kaltstart
“Das ist, was hier geht, und mit dem hab ich auch keine Probleme.” Es folgte ein kurzer Abschnitt über Controller, Bustechnologien und Chipsatz-Probleme, und dann ließ er mich stehen. Einfach so. In meiner Verzweiflung hätte ich mir vielleicht sogar eine teure Neuanschaffung aufschwätzen lassen, so allerdings dachte ich nur noch: Du mich auch. Und das werden die allermeisten Unterlinge auch denken, die devot und mit dem zerknüllten Hand in der Hut den Informationspriestern ihr Problem vorlegen, und dabei genauso eine Bruchlandung hinlegen wie ich. Die hohen Herren können sie mal, aber das Problem ist dann immer noch nicht gelöst.
Nun kommt es vor, dass der Mensch hinterm Tresen im Computerladen ein netter Mensch ist. Da Gleichgültigkeit und Arroganz per definitionem Nettigkeit ausschließen, ergeben sich aus dieser Komplikation zwei Spezialfälle: a) der nette Inkompetente, b) der nette Versierte. Nette Inkompetente kommen nicht gar zu selten vor, manchmal, an einem guten Tag verwandeln sich sogar die Gleichgültigen in nette Inkompetente, und die per se Inkompetenten zeigen sich von ihrer besten Seite, so dass sie auch zu dieser Gruppierung aufschließen. Es kann sogar geschehen, dass ein ganzer Ladentresen mit drei netten Inkompetenten gleichzeitig bestückt ist, was zwar auch nicht zielführend ist, aber immerhin verhindert, dass man den Laden mit Minderwertigkeitsgefühlen und voller Hass verlässt. Ja, man kann sich sogar ein wenig überlegen fühlen, ist doch die eigene Rudimentärkompetenz durch das verlegene Gestotter der netten Inkompetenten ins denkbar beste Licht gesetzt worden. Schade nur um die verplemperte Zeit.
Um die Verteilungshäufigkeit der netten Versierten zu demonstrieren, muss ein Beispiel aus der Gastronomie herhalten. Ich habe oben behauptet, dass die Versierten aus der Garde der abgebrochenen Informatikstudenten und der anspruchsvollen Computer- und Softwarebastler stammen, aber das ist, wie meine eigene Erfahrung belegt, ein sehr grobes Raster, und wird durch den Einzelfall widerlegt. In der Tat habe ich bisher genau zwei nette Versierte kennen gelernt, und sie waren beide offensichtlich keine abgebrochenen Informatikstudenten. Einer von ihnen war ein junger Exiljugoslawe mit dem breitesten Grinsen und einer der breitesten Zahnlücken zwischen den oberen Schneidezähnen, die ich je gesehen habe. Er verstand nicht nur etwas von Computern, sondern war wirklich nett, und er arbeitete in einem Ladengeschäft einer der Computerketten, die ich oben so rücksichtslos dämonisiert habe. Allerdings tat er das nur sehr kurz. Wahrscheinlich wurde er entweder gefeuert, befördert, oder von seinen neidischen Kollegen erschossen und verscharrt, damit ihr konzeptloses und unverschämtes Gehampel im Vergleich zu ihm nicht so krass auffiel. Der zweite nette Versierte, den ich kenne, arbeitet in der Computerabteilung einer großen Elektrohandelskette, und ist dort definitiv der Paradiesvogel vom Dienst. Er gebietet über einen kleinen Trupp von gleichgültigen Inkompetenten, und die Sorgen, die sie ihm bereiten, haben ihn vorzeitig altern lassen. Bei ihm wird besonders deutlich, dass Nettsein seine Tücken hat. Ich kann mir ein Leben als netter Versierter kaum vorstellen, denn es ist ja tatsächlich nicht einfach, gegenüber Kunden nett und versiert zu sein, die ihre Steckdose daheim nicht finden, und auch das kommt vor. Nun zur Gastronomie. Es gibt ein Spaghetti-Fertiggericht, dem ich in meiner Studentenzeit herzlich zugesprochen habe, und das in kritischen Situationen immer an meiner Seite war, wenn es darum ging, dringend benötigte Kohlenhydrate schnell und billig bereitzustellen. Ich will nicht den Eindruck erwecken, als wisse ich nicht, was sich gehört, und ich bin der Herstellerfirma für ihr lebensspendendes Produkt durchaus dankbar, aber dennoch gab und gibt es mit dem Produkt ein Problem: Sie tun zu wenig Parmesan hinein. Es muss erwähnt werden, dass die eigenartige Gewürzmischung, die dem Tomatenmark, dem Parmesan und den Spaghetti beigesellt wird, für einen seltsamen Gesamteindruck des Gerichts im Gaumentest sorgt, es sei denn, man hat genug Parmesan zur Hand, um alles wieder glatt zu bügeln. Das Problem ist, wie gesagt: es gibt zuwenig davon. Wie von der versierten Nettigkeit im Computerhandel. Das schlecht schmeckende Fertiggericht des hiesigen Computerhandels wäre nur durch großzügige Gaben von nett-versiertem Verkäufer-Parmesan genießbar zu machen, aber es herrscht der
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