1377 - Es lauert im Dunklen
Cindy Blake wusste nicht genau, warum ihr Großvater dieses Haus hatte bauen lassen. Angeblich, weil er so ein großer Western-Fan war. Deshalb gab es auch die große Veranda, auf der er oft gesessen hatte. In einem Schaukelstuhl wie der legendäre John Wayne in seinen Filmen.
Aber der Held war tot, Cindys Großvater lebte auch nicht mehr.
Nur das Haus stand noch. Es wirkte wie eine Kulisse in einem leeren Land oder wie ein Kleinod für Romantiker.
Seit Monaten bereits suchten Cindys Eltern nach einem Käufer für diese Immobilie. Bisher hatte sich keiner gefunden, der dieses einsam stehende Prachtstück haben wollte.
Die Enkelin Cindy war darüber sehr froh. So würde sie sich auch den Sommer über in das alte Landhaus zurückziehen können, um dort in den langen Semesterferien zu wohnen. Eine Arbeit musste sie sich nicht suchen. Sie war die Lieblingsenkelin des Großvaters gewesen. Er hatte ihr einiges hinterlassen.
Cindy Blake liebte das Haus. Es war nicht mal richtig baufällig. In seinem Innern funktionierte auch noch alles. Strom, Wasser, Gas, das wurde alles von Cindy beglichen. Es gab keinen Grund, das einsam stehende Gebäude von den Errungenschaften der Zivilisation abzuklemmen.
Es stand zudem nicht an einer Durchgangsstraße, sondern etwas in die Landschaft hineingedrückt, aber mit einem freien Blick von der Veranda aus zur Straße hin. Da existierte ein schmaler Privatweg, den hatte Cindys Großvater auf eigene Kosten anlegen lassen.
Über diesen Weg kam mehr!
Cindy sah ihn. Sie hatte ihn erwartet. Er war noch als kleine Gestalt zu sehen, aber er würde bald größer werden, und sie würde dann hinein in die Aura seiner Düsternis geraten und wieder so fasziniert sein wie bei ihrer ersten Begegnung.
Sie kannte seinen Namen. Er hieß Riordan. Er war stets dunkel gekleidet, und er war das, was man aus den Staaten kannte. Ein Wanderprediger, der seine eigene Kirche gegründet hatte, die Cindy irgendwann kennen lernen sollte.
Cindy hatte das Gefühl, dass es an diesem Abend der Fall sein würde, und so wartete sie voller Spannung darauf.
Kaum hatte sie seine Gestalt gesehen, da klopfte ihr Herz stärker.
Für sie war er wie vom Himmel herabgefallen. Sie hatte weder ein Auto gesehen noch gehört, mit dem er gekommen war. Am Ende des Wegs war er aufgetaucht und kam nun mit langsamen Schritten näher, wobei er manchmal wie ein großer Vogel wirkte, wenn der lange Mantel bei seinen Schritten hin und her schwang.
Er war der düstere Held, der Rächer, der aus den Tiefen der Einsamkeit kam, um mit gewissen Menschen abzurechnen, die ihm Böses angetan hatten. Ein großer Mann mit einem Hut auf dem Kopf.
Eine breite Krempe sorgte dafür, dass seine Augen beschattet wurden. So wie er sich bewegte, war einst Clint Eastwood, der große Western-Held, geschritten.
Cindy hatte den Schaukelstuhl ziemlich weit nach vorn geschoben. Sie war völlig in diesen einzigartigen Anblick vertieft, denn hinter dem Rücken des Ankömmlings lag der Westen. Dort war die Sonne hinabgesunken, und ihr Ball war zu breiten Streifen auseinander gezogen worden, die den Himmel bedeckten.
Ein Gluthimmel. Oder aus Blut bestehend. Rot in den verschiedensten Farbtönen. Und ein Farbwechsel, bis hin zu einem noch grellen Gelb, das allerdings bald versickern würde.
Ein passendes Farbenspiel für den perfekten Auftritt dieser einsamen Gestalt, die ihrem Ziel mit gleichmäßigen Schritten entgegenging und durch kein Hindernis aufgehalten werden würde.
Mit jedem Schritt, den sich die düstere Person näherte, klopfte das Herz der jungen Frau schneller. Sie wusste nicht genau, was er von ihr wollte. Er hatte ihr nur gesagt, dass es ein sehr wichtiger Tag für sie werden würde.
Riordan hieß er!
Es war ein Name, den sich Cindy schon mehrmals auf der Zunge hatte zergehen lassen. Sie hatte sich sogar nach seiner Herkunft erkundigt. Da hatte er nur gelächelt und von einem imaginären Nordwesten gesprochen. Sie ging davon aus, dass es Irland war, aber darauf wetten wollte sie nicht. Er war zwar ein Mensch, doch wenn er in ihrer Nähe stand, da kam er ihr irgendwie außerirdisch vor. Da schien er aus irgendwelchen Tiefen des Alls auf die Erde geflattert zu sein, um hier seine Zeichen zu setzen.
Was er genau mit ihr vorhatte, wusste Cindy nicht. Es musste etwas Besonderes sein, und wenn sie ihn so anschaute, dann traf der Begriff Wanderprediger schon zu.
Würde er sie mitnehmen wollen?
Auch jetzt kam ihr wieder dieser Gedanke. Das
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