Kameraden: Die Wehrmacht von innen (German Edition)
Leben und Tod. Preiß legt den Finger an den Abzug und blickt über den langen Lauf seiner todbringenden Waffe durch das Visier: Er sieht, wie sich der Feind zum Angriff bereit macht. Gegenüber werfen sich in rund 1000 Metern Entfernung sowjetische Soldaten in den Schnee und richten Granatwerfer auf ihn und seine Kameraden. Schüsse bersten – ein mörderisches Gefecht beginnt, das sich dem jungen Wehrmachtssoldaten bis ins Detail ins Gedächtnis einbrennen soll. Nun erlebt Preiß einen neuen Höhepunkt des Kämpfens und Tötens an der Front.
Abb. 24: Unteroffizier Erich Preiß, Jg. 1920
Mit der 267. Infanteriedivision kämpfte er sich bis an die Tore der sowjetischen Hauptstadt vor, dabei lag sein Platz als Artillerie-Soldat über weite Strecken des Feldzugs im Rückraum der Hauptkampflinien. Doch spätestens seit dem 5. Dezember 1941, als die Gegenoffensive der Roten Armee über die erschöpften deutschen Truppen hereinbricht, wird jeder verfügbare Mann als Kämpfer an vorderster Front gebraucht. Preiß übernimmt als »Schütze Eins« das Maschinengewehr – eine lebenswichtige Position, denn das MG ist die tödlichste Abwehrwaffe jeder Infanteriegruppe: In ihrem Feuer fallen bei jedem Frontalangriff ungezählte sowjetische Soldaten. So ist es auch dieses Mal. Preiß drückt ab, immer wieder, und die krachenden Feuerstöße aus seiner Waffe hageln erbarmungslos in die gegnerischen Reihen – die überlebenden Rotarmisten ziehen sich in ein weiter hinten gelegenes Waldstück zurück. Doch dann wendet sich das Blatt. Plötzlich tauchen an der Flanke hinter einem Hügel vor Preiß’ Stellung sowjetische Panzer auf – mit blutigen Konsequenzen:
P: Da waren sie schon 200 – 300 Meter vor uns. Da sind wir stiften gegangen, mit MG konntest du nichts machen. Da sind wir auch in [den] Wald hereingeflüchtet. In diesem Wald war eine Straße und da gingen Panzer, Flak, Artillerie, Sturmgeschütze, die gingen da alle zurück. Da waren ein paar beherzte Flak-Kanoniere, die gingen da nach vorne und von den 6 anstürmenden [Panzern] haben sie 4 abgeschossen. Und 2 sind entkommen. Da lagen wir dann wieder an dem Waldrand, dachten gar nicht mehr an die Kosaken, auf einmal kommen die herangesprengt, so von 800 Metern. Wir schossen auf die Pferde, auf die Reiter, manche stoppten, – jedenfalls hat uns der Kavallerieverband überrannt. Auf einmal hieß es: stürmen. Da sollten wir so den Reitern entgegenlaufen, obzwar das Blödsinn war, wären wir liegen geblieben, hätten wir lange nicht solche Verluste gehabt. Ich stürme auch mit meiner Gruppe, ich gehörte da als MG-Schütze dazu, und wie ich da so im Laufen bin, da haut mir ein Kosak so eine Garbe mit MP entgegen. Ich war halb bewusstlos, konnte mir nicht mehr den Schuh ausziehen, Blut kam raus, und im selben Augenblick, wie es herauskommt, ist es auch schon Eis. Und dann haben die Kosaken noch die Artillerie hinten zusammengemacht, also alles, was da so nach hinten geflutet ist. Haben sie auch überrannt. Von diesen russischen Kavalleristen ist aber auch keiner weggekommen. Da ist das ganze Bataillon draufgegangen, haben aber auch bei uns sehr große Verluste gemacht. Und im selben Moment kommen auch schon wieder 10 Panzer. Ich habe mich da so am Waldrand links heruntergeschleppt und da sehe ich einen Sankawagen.
In dem Sanitätswagen sieht Preiß die grausigen Folgen des Kampfes: Einem Obergefreiten sind »beide Arme abgeschossen«, ein anderer Schwerverwundeter ist »ohne Füße«, ein Unteroffizier hat einen »Armschuss, glatt durch, konnte man die Knochen sehen, hing nur noch so herunter«. Der Schlacht entkommt Preiß aber nicht. Es »knatterte von allen Ecken« und plötzlich ist der Sanitätswagen mit ihm und den übrigen Verwundeten mitten im Auge des Sturms: Sowjetische Panzer rasseln direkt auf sie zu. Das Gefecht tobt, es ist ein ohrenbetäubendes Inferno voller Tod und Verwüstung: »Da lagen tote Infantristen, da lagen Russen, Pferde, Geschütze, Munition, Kraftwagen, Trossfahrzeuge, kaputt geschossene Panzer, der Wald brannte. Und die schossen noch herein, MG-Munition ging in die Luft, alles brannte und alles krachte.« Der Panzerangriff läuft direkt an Preiß vorbei. Was im Weg steht, wird von den Kolossen »alles überfahren«, der Sanitätswagen wird »eingedrückt« und »umgestoßen« – innen sind alle Schwerverwundeten »durcheinander gepurzelt«: »Also wir hatten das Blut in der Schnauze. Und der Obergefreite gegrölt wie so ein
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