Kampf der Gefuehle
Hosen bewegen konnte, genoss es, wie der durch die offenen Fenster hereinwehende Nachtwind ihre Hüften und Schenkel umlächelte. Obwohl sie wie ein Mann gekleidet war, vermochte sie nicht zu sagen, wann sie sich zum letzten Mal so ganz Frau gefühlt hatte.
»Da Wut bei einem Waffengang von Nachteil ist«,
sagte Gavin, ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkend, »wollen wir heute Abend versuchen, sie zu vermeiden, indem wir die Sache indirekt angehen und dabei auf Brustschutz und Maske verzichten. Ich werde mein Florett halten, ohne es zu bewegen, während Sie auf mich zukommen. Heben Sie Ihre Klinge auf diese Art.«
Sie gehorchte, trat auf ihn zu und nahm die Haltung ein, die sie wieder und wieder in der Einsamkeit ihres Schlafzimmers geübt hatte. Dann sah sie ihn fragend an, um sich zu vergewissern, ob sie alles richtig gemacht hatte.
Er nickte und unterzog sie einer gründlichen Musterung. Dabei verweilte sein Blick hier und dort, so dass sie ein beunruhigendes Kribbeln in den Brüsten und zwischen den Schenkeln spürte. »Also, Sie werden nur das Ende Ihrer Klinge benutzen und damit die meine berühren. Ganz sachte, und nur an der Spitze.«
Sie folgte seinen Instruktionen, obwohl ihr das Ganze ziemlich fade vorkam. Sie durfte die Stelle, an der die beiden Florette aufeinandertrafen, nicht aus den Augen verlieren, musste darauf achten, den Kontakt zu halten.
»Lassen Sie Ihre Klinge ein Stück über die meine gleiten, damit Sie die Glätte des Stahls spüren. Merken Sie, wie hart und fest er ist? Wenn Sie sich Mühe geben, können Sie auch das Vibrieren meines Pulsschlags in der Klinge fühlen.«
Seine ruhige Stimme hatte etwas Hypnotisches. Und er hatte recht, wie sie verblüfft feststellte. Die pulsierende Kraft, mit der er die Waffe gepackt hielt, schien sich auf sie zu übertragen, floss ihre Finger und ihren Arm hoch, um sich schließlich in ihrer Brust zusammenzuballen. Durch ihren Unterarm ging ein Zittern, das sie je-doch sogleich unterdrückte. Um diese Bewegung zu kaschieren, fuhr sie ganz sanft, wie liebkosend, mit ihrem Florett über das seine. Trotz der seidig-glatten Oberfläche war sein Stahl unnachgiebig, reckte sich angriffsbereit in die Höhe und wurde gleichzeitig von seinem eisernen Willen im Zaum gehalten.
Vermochte auch er das Pochen ihres Herzens zu spüren? Merkte er, wie sie innerlich zitterte? War auch ihm die seltsame Analogie bewusst, die sich ihr unwillkürlich und auf schockierende Weise aufdrängte?
»Sehen Sie mich an«, befahl er, wobei seine Stimme einen tieferen Klang annahm. »Beobachten Sie meine Augen, um abzuschätzen, was ich als Nächstes tun werde. Lassen Sie zu, dass Ihre Klinge allein vom Instinkt geleitet wird. Hören Sie auf zu überlegen, folgen Sie nur diesem Impuls. Geben Sie jeglichen Versuch auf, das Ergebnis des Kampfs beeinflussen zu wollen, und lassen Sie sich lediglich von dem Bedürfnis lenken, allem, was ich tue, Paroli zu bieten.«
Sie versuchte, seinen Anweisungen zu folgen. Das war nicht leicht, da sein Florett mit melodischem Surren über das ihre tanzte und sie sich einbildete zu spüren, wie seine Körperhitze trotz ihres Handschuhs ihre Handfläche versengte. Vor Nervosität war ihre Kehle wie zugeschnürt, so dass es ihr schwerfiel, etwas zu sagen, was sie jedoch für unerlässlich hielt, um den seltsamen Bann zu brechen, in den er sie geschlagen hatte. »Das ... scheint mir kaum ein Kampf zu sein.«
»Oh, das ist auch keiner. Das ist nichts als ein Vorspiel, nicht unähnlich dem, was vor der körperlichen Vereinigung zweier Liebender stattfindet. Um den Vollzug perfekt zu machen, ist es erforderlich, dass man einander zunächst auf intimste Weise kennenlernt, dass man die Bestrebungen, die Wünsche, die Stärken und Schwächen des anderen auslotet, so weit es nur geht.«
Auch ihm war die Analogie also bewusst. Das hätte sie sich ja denken können. »Da die eine dieser Ouvertüren zum Tod führt und die andere zur Zeugung von Leben, kommt mir der Vergleich höchst unpassend vor.«
»Meinen Sie? Gleichwohl wird der Höhepunkt der Liebe le petit inort, der kleine Tod, genannt. Und auf das Ende des Lebens folgt, wie man uns versichert, die Auferstehung. Nein, nein«, fuhr er fort, als sie den Mund öffnete, um ihm zu widersprechen, »Sie denken zu viel. Kommen Sie jetzt langsam auf mich zu, Schritt für Schritt, ohne den Kontakt mit meiner Klinge zu verlieren. So, derweil trete ich einen Schritt zurück. Und noch einen. Jetzt gehe ich auf Sie
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