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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Meistens trug sie Hosen und darüber ein Jumperkleid, das sie fülliger wirken ließ, als sie war. Manchmal zog sie weiße Spitzenhandschuhe an, um ihre Hände zu verbergen. Und sie litt an Allergien, weswegen sie immer einen Torpedo-Inhalator von Wick bei sich hatte, nach dem es oft aus ihrem Zimmer roch, wenn man sich der Tür näherte. Ich fand, sie sah wie eine Kombination aus unseren Eltern aus: die Größe meines Vaters und das Aussehen meiner Mutter. Manchmal ertappte ich mich dabei, Berner als einen älteren Jungen zu betrachten. Dann wieder wünschte ich mir, sie sähe mir ähnlicher, dann wäre sie vielleicht netter zu mir, und wir stünden uns näher. Aber wie sie aussehen wollte ich nie.
    Ich für meinen Teil war kleiner und schlank, mit glatten braunen Haaren und einem Seitenscheitel weit außen und weicher Haut und sehr wenigen Pickeln – also eher »hübsch« wie unser Vater, aber zart wie unsere Mutter. Was mir gefiel, so wie mir auch gefiel, was sie mir anzuziehen gab – Khakihosen und adrette gebügelte Hemden und Oxfordschuhe aus dem Sears-Katalog. Unsere Eltern witzelten über Berner und mich, dass der Postbote oder der Milchmann uns gebracht hätte, wir wären »Restposten«. Was ich allerdings nur auf Berner bezog. In letzter Zeit war sie immer empfindlicher in Bezug auf ihr Aussehen geworden, immer unzufriedener – als wäre innerhalb kurzer Zeit irgendetwas in ihrem Leben schiefgelaufen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt in meiner Erinnerung war sie ein normales, sommersprossiges, süßes, glückliches kleines Mädchen mit einem wunderschönen Lächeln, das uns alle mit seinen Grimassen zum Lachen brachte. Jetzt stand sie dem Leben skeptisch gegenüber, das machte sie sarkastisch und treffsicher, was meine Schwächen anbelangte; meistens wirkte sie einfach wütend. Sie mochte nicht einmal ihren Namen – mir gefiel er, ich fand, er machte sie einzigartig.
    Nachdem mein Vater einen Monat lang Oldsmobiles verkauft hatte, geriet er in einen kleineren Auffahrunfall, als er zu schnell mit seinem Demonstrationsauto unterwegs war, zudem war er auf den Stützpunkt gefahren, wo er eigentlich nichts zu suchen hatte. Danach verkaufte er Dodges und brachte eine schöne braun-weiße Coronet-Limousine mit nach Hause, die mit Druckknöpfen am Armaturenbrett, einem sogenannten »Push-Button Drive«, elektrischen Fensterhebern und drehbaren Sitzen ausgestattet war, dazu modischen Flossen, grellroten Heckleuchten und einer langen Peitsche von Antenne. Dieser Wagen stand drei Wochen lang vor unserer Haustür. Berner und ich saßen drin und hörten Radio, unser Vater nahm uns erneut auf Spritztouren mit, und wir ließen alle Fenster offen, damit der Fahrtwind hindurchwehte. Mehrere Male nahm er die Schmugglerroute, ließ uns beide ans Steuer und brachte uns bei, wie man rückwärts fährt und wie man die Räder richtig dreht, um über eine Eisfläche zu schliddern. Leider verkaufte er überhaupt keine Dodges und kam zu dem Schluss, dass er für eine Stadt wie Great Falls – eine schroffe Landgemeinde von gerade mal fünfzigtausend Einwohnern, voll genügsamer Schweden und misstrauischer Deutscher und mit nur wenig betuchten Leuten, die ihr Geld auch mal für schicke Autos ausgeben wollten – in der falschen Branche war. Also gab er das auf und wandte sich dem Verkauf und Tausch von Gebrauchtwagen zu, auf einem Grundstück weit draußen in der Nähe des Stützpunkts. Flieger litten immer unter Geldnot und ließen sich scheiden und würden verklagt und heirateten wieder und kämen ins Gefängnis und brauchten Bares. Sie kauften und tauschten Autos wie eine Art Währung. Man könne als Mittelsmann zu Geld kommen – und er mochte diese Position. Außerdem waren Flieger eher geneigt, Geschäfte mit einem Exoffizier zu machen, der ihre Probleme verstand und nicht auf sie herabsah wie andere Leute in der Stadt.
    Am Ende blieb er auch in diesem Job nicht lange. Wobei er Berner und mich zwei-, dreimal auf das Autogelände mitnahm und uns alles zeigte. Dort gab es für uns nichts zu tun, als zwischen den Autoreihen herumzuschlendern, in dem sengendheißen Wind unter den flappenden Wimpeln und den silbernen Blinkstreifen am Draht, während wir den vorbeifahrenden Verkehr zum Stützpunkt und zurück beobachteten, zwischen den in der Sonne Montanas bratenden Motorhauben. »Great Falls ist eine Gebrauchtwagenstadt, keine Neuwagenstadt«, sagte unser Vater, die Hände in die Hüften gestemmt, auf der Treppe zu dem kleinen

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