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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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dann auf mein Umfeld, und natürlich bekommen mein Mann und unser Kind am meisten davon mit.
    Ich drehe mich wieder zur Seite. 0:10 Uhr. Immer noch kein Schlaf möglich. Dabei ist doch jetzt Zeit dafür, Zeit, die mir so oft fehlt. Ich kann mich nicht erinnern, immer schon unter Zeitnot gelitten zu haben. Langsam gesprochen habe ich wohl nie. Aber es gibt Kinderfotos von mir, auf denen ich im Garten sitze und nichts Erkennbares tue. Und dabei nicht unglücklich aussehe. Auch als Studentin habe ich oft aus dem Fenster der Institutsbibliothek gesehen, einfach nur um des Rausschauens willen. So etwas kann ich mir heute nicht mehr vorstellen. Wenn ich im Bus sitze, jeden Tag insgesamt eine Viertelstunde zwischen Büro und Kindergarten, gehe ich meinen Terminkalender durch, führe Telefonate oder vereinbare Arzttermine – das geht ja alles mit dem Handy. An manchen Tagen trinke ich auch einen Cappuccino, den ich mir in der Bäckerei gegenüber vom Kindergarten geholt habe. War der Morgen so hektisch, dass keine Zeit für ein Frühstück geblieben ist, esse ich ein Croissant im Bus. Und aus dem Fenster schaue ich nur, um zu sehen, ob es regnet und ich dem Kleinen Gummistiefel und Regenjacke anziehen muss.
    Als mein Sohn noch kleiner war, erst ein paar Monate alt, war das anders. Da stand ich oft am Fenster mit ihm, so wie mein Mann heute Abend. Ich hielt mein Baby fest im Arm und erzählte ihm, was ich sah, dort draußen, auf der anderen Seite der Glasscheibe. Himmel, Wolken, Bäume, Häuser. Manchmal habe ich auch etwas erzählt, das ich mir spontan ausgedacht habe: dass ein Drache vorbeifliegt oder ein Heißluftballon. Das mache ich heute fast gar nicht mehr. Obwohl ich meinem Sohn auch jetzt noch ausgedachte Geschichten erzähle. Aber eben nur ab und zu.
    Und es gibt nach wie vor Momente, in denen ich tagträume. An Sonnentagen, auf dem Spielplatz, da gelingt es mir. In den Minuten, in denen der Kleine zufrieden im Sand gräbt, stelle ich mir gerne vor, wie gut ich mich fühlen werde, wenn ich endlich Ferien habe. Urlaub am Meer. Mit viel Sandstrand. Da kann mein Sohn in Badehose graben. Immer wenn ich mich durch meinen Handykalender klicke, bleibe ich bei dem Monat mit den Ferien hängen. Zwei Wochen Elba. Die ganze Familie.
    0:15 Uhr. Ich drehe mich noch einmal auf die andere Seite und betrachte wieder meinen schlafenden Mann. Aus dem Kinderzimmer höre ich Husten. Ich lausche, doch mein Sohn beruhigt sich von allein. Ich bin froh. Eine zweite Nacht wie die vergangene würde mich ganz schön fertigmachen. Obwohl man ihn mir wohl nicht ansieht, den dauernden Schlafmangel. Ein Kollege hat mich erst letzte Woche angesprochen, am Morgen nach einem sonnigen Nachmittag auf dem Spielplatz: »Du hast ja richtig Farbe. Urlaub to go oder was?« Ich habe einfach nur freundlich gelächelt. Denn wie Urlaub kommt es mir nicht vor, wenn ich mit meinem Kleinen auf dem Spielplatz bin. Aber auch nicht wie Arbeit. Sie sind schwer zu beschreiben, diese beiden Gefühle, die ich gleichzeitig empfinde. Einmal ist es sehr schön, wie die Zeit verrinnt. Ich bin mit meinem Sohn zusammen und muss gerade mal nirgendwo hinrennen. Laufe nicht Gefahr, zu spät zu kommen. Andererseits erscheint mir die Zeit auf dem Spielplatz auch als Zeitverschwendung. Was könnte ich alles erledigen in diesen Stunden: Diese E-Mail beantworten, jenes Angebot überdenken oder einfach nur in Ruhe die Wäsche zusammenlegen. Keines der beiden Gefühle überwiegt. Deshalb stört es mich auch, wenn mein Handy klingelt. Ich beantworte aber trotzdem jeden Anruf. Das Handy klingelt fast immer am Nachmittag: Die junge Kollegin braucht meine Meinung, eine Grafikerin fragt nach einem Entwurf, die Sekretärin des Vorgesetzten möchte einen Termin abstimmen. Eigentlich endet meine Arbeitszeit jeden Tag um 14:45 Uhr. Wenn ich später auf dem Spielplatz eine Frage beantworte, werde ich dafür nicht extra bezahlt. Und doch gehen meine Kolleginnen und Kollegen ganz selbstverständlich davon aus, dass ich verfügbar bin. Dass ich weiterarbeite, nachdem ich das Büro verlassen habe. Ohne Bezahlung. Auch hier habe ich schlecht verhandelt.
    Es tröstet mich nicht, dass andere Frauen ebenfalls schlecht verhandeln – auch nicht, wenn es die sind, die kein Kind haben. Die junge Kollegin hat mir neulich von ihrem Einstellungsgespräch erzählt. Besonders in Erinnerung ist ihr der Satz »Sie haben also Germanistik studiert« geblieben. Damit hat unser Vorgesetzter die Gehaltsverhandlung

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