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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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Kindergarten aus der Hand, am liebsten erst im Jahr vor der Einschulung. Im schlimmsten Fall entwickeln sie sich zu Hockey-Moms à la Sarah Palin – allerdings in der Regel ohne die problematische politische Orientierung.
    Eine dieser Mütter ist die Nachbarin, die mich heute Nachmittag auf dem Spielplatz angesprochen hat. Sie hat zwei Kinder, fünf und dreizehn Jahre alt. Sie hat ihr Studium nicht abgeschlossen. Sie hat nie in ihrem Beruf gearbeitet – und sie hat es auch nicht vor, wie sie mir mal gesagt hat. Weil ja dann ihre Kinder auf der Strecke blieben. Dass sie meine Berufstätigkeit missbilligt, zeigt sie ziemlich offen.
    Ich schaue wieder auf die gelbe Uhr – gleich Viertel nach acht. Ich sitze immer noch am Bett meines Kindes, lausche seinen Atemzügen und fühle mich müde. Zu gerne würde ich jetzt auch einschlafen, mich neben den Kleinen legen und einfach die Augen schließen. Doch da steckt ja noch eine Mappe in meiner Tasche – Büroarbeit. Von wegen Feierabend. Also stehe ich auf und gehe in die Küche. Mein Mann hat aufgeräumt, die Spülmaschine angeschaltet und liest Zeitung.
    »Wie kam er denn auf Tika?«, frage ich. »Dreijährigenfantasie«, sagt er. »Mir gefällt’s.« »Mir auch«, sage ich. Dann schenke ich uns ein Glas Wein ein. »Wie kann ich etwas, für das ich normalerweise drei Stunden brauche, in dreißig Minuten fertig kriegen?«, frage ich meinen Mann. Er nimmt mich in die Arme. »Indem du es einfach machst.«
    Ich bin geübt darin, zu wenig Zeit für eine Aufgabe zu haben. Mein üblicher Trick ist es, voll auf Effizienz zu setzen. Ich vermeide Dinge wie ein kurzes Gespräch am Kaffeeautomaten mit einer Kollegin ebenso wie allzu ausschweifende Eingangsfloskeln bei Telefonaten. Doch hier, zu Hause, habe ich keinen Kaffeeautomaten, sondern eine Wohnküche. In der ich nicht auf eine Kollegin treffe, sondern auf meinen Mann. Mit dem ich gerne lange Gespräche führe.
    Es ist erstaunlich: Ich habe nicht nur ein Berufsleben und ein Mutterleben, sondern auch ein Privatleben. Ich führe eine glückliche Beziehung, schon seit Jahren. Die aber auch gepflegt werden möchte. Die mit eigenen Bedürfnissen daherkommt. Das lasse ich aber meistens unter den Tisch fallen. Ich lebe mein Traumleben. Gemeinsam mit einem Partner, der mich versteht, und einem Kind, das ich mir immer gewünscht habe. Ich habe einen Beruf, der mich interessiert. Doch meistens fehlt mir die Zeit, mich wirklich über all das zu freuen. An manchen Tagen vergesse ich fast, dass ich glücklich bin, in meiner Beziehung und mit meinem Kind. Ich vergesse es, weil ich so atemlos bin. Und gehetzt.
    Es ist 20:25 Uhr. Ich lege mein Handy neben den Laptop und hole die blaue Mappe aus meiner Tasche. Ich gehe die einzelnen Seiten durch und beginne, die Präsentation für meinen Vorgesetzten zusammenzustellen. Als ich um 23:35 Uhr ins Bett gehe, liegt mein Mann schon auf seiner Seite und schläft. Ich lege mich dazu, kann aber nicht einschlafen, obwohl ich sehr müde bin. Ich bin unruhig, gehe mit geschlossenen Augen die Seiten der Präsentation noch einmal durch.
    Ich wälze mich hin und her. 23:45 Uhr. Vor siebzehn Stunden bin ich vom Klingeln des Weckers aufgewacht, sehr müde, weil die Nacht von Sonntag auf Montag vom Husten meines Sohnes durchbrochen worden war. Weil ich am frühen Abend schon müde war, bin ich kurz nach neun schlafen gegangen. Meine Schicht am Bett des Kleinen begann dann um Mitternacht: Um kurz nach zwölf, um Viertel nach zwei und um halb fünf habe ich gestreichelt, Hustensaft gegeben oder einen Schluck Wasser. Trotzdem habe ich ihn heute pünktlich im Kindergarten verabschiedet – mit schlechtem Gewissen wegen des Hustens. Doch ich muss gut haushalten mit den Tagen, die ich wegen meines kranken Kindes zu Hause bleiben kann. Es sind nur zehn.
    Im letzten Jahr, dem ersten Berufsjahr nach der Elternzeit, haben diese zehn Tage ausgereicht. Ich bin an insgesamt acht Tagen völlig ohne schlechtes Gewissen zu Hause geblieben und habe mich ausschließlich meinem kranken Kind gewidmet: einmal wegen Bindehautentzündung, zweimal wegen Magen-Darm-Infekt. Ich habe mich vor dem Besuch des Kinderarztes vom Büro abgemeldet und danach noch einmal, das Handy ausgeschaltet und auch keine E-Mails gelesen. Ich war nur daran interessiert, meinem Sohn das Kranksein so angenehm wie möglich zu gestalten. Und ihn gesund zu pflegen. Zum Glück bin ich selbst in den letzten zwei Jahren nicht krank geworden, von kleinen

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