Kann ich gleich zurueckrufen
wollte er diese »Karriereleiterdinge« auf die Zeit nach der Elternzeit verschieben. Schließlich würde ich fast sechzehn Monate nicht arbeiten, meinte er damals, und man müsse erst mal sehen, ob ich wirklich so schnell wiederkäme, wie ich geplant habe.
Ich kam tatsächlich so schnell wieder, wie ich geplant hatte. Doch bis heute bin ich in Sachen Perspektiven und Beförderung nicht weitergekommen.
Obwohl das Verhältnis zu meinem Vorgesetzten immer angenehm gewesen war, verlief das Gespräch kurz vor meinem Wiedereinstieg eher unangenehm. Ich glaube, er hatte mich längst in eine Schublade gesteckt. Zu all den Müttern, die etwas dazuverdienen wollen, für die Kindergartenkosten und die Putzfrau. Die Sorte berufstätige Mütter, die nicht ernsthaft an Karriere interessiert ist, die bis zum Abitur der Kinder in Teilzeitstellen verharrt und damit zufrieden ist. Als es um mein Gehalt ging, sagte er tatsächlich: »Na, Sie müssen Ihre Familie glücklicherweise nicht ernähren. Das macht ja Ihr Mann.« Ich war entsetzt. Natürlich wusste er, dass ich verheiratet bin. Natürlich wusste er, dass mein Mann einen lukrativen Job hat. Und sicher rechnete er damit, dass ich aufgrund unseres guten Arbeitsverhältnisses wegen einer flapsigen Bemerkung keinen Streit vom Zaun brechen würde. Er hatte Recht. Ich lächelte und sagte nichts. Deswegen arbeite ich heute ein Viertel weniger als früher und verdiene auch ein Viertel weniger als früher. Ich habe keine Zuschüsse, keine Extras und keine Fortbildungen vertraglich vereinbaren können. Ich habe keine berufliche Zukunftsvision für mich geschaffen.
Heute hasse ich mich dafür. Weil ich seitdem eine der Frauen bin, die wegen ihrer Zurückhaltung, ihrer Feigheit, ihrer Höflichkeit bei einer Gehaltsverhandlung schlechter abgeschnitten hat als nötig. Davor hat mich auch das Gesetz nicht bewahren können, das Frauen vor Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts schützen soll. Menschen finden immer Möglichkeiten, andere Menschen kleiner zu machen. Weil die anderen Menschen es zulassen.
Mittlerweile ist es 19:30 Uhr. Im Wohnzimmer ist es still geworden. Mein Mann steht am Fenster, unser Kind auf dem Arm. »Tika ist müde«, sagt der Kleine. »Bist du Tika?«, frage ich. Er nickt. Mein Mann lächelt. »Tika klingt irgendwie nach Tiger, sehr geheimnisvoll«, sagt er. Ich lächle auch. »Tika geht jetzt ins Bett«, sage ich.
Der Kleine umarmt meinen Mann noch einmal und springt dann aufs Fensterbrett. Er streckt mir die Arme entgegen und gähnt. Ich hebe ihn hoch und trage ihn in sein Zimmer. Er nimmt drei Bücher aus dem Regal. Damit legt er sich ins Bett und kuschelt sich an seinen Plüschhasen. »Vorlesen!«
Ich lese Geschichten über kurzsichtige Hexen, wundersame Katzen und ein trauriges Schaf vor. Langsam fallen die Augen meines Kleinen zu. Er dreht sich zur Seite und schläft ein: Ich schaue auf die gelbe Uhr: Es ist kurz nach acht.
Meine Mutter hat diese Uhr gebaut. Sie hat bunten Draht verwendet, Messingstücke und Bernsteine. Das Uhrwerk hat sie, unterstützt von meinem Großvater, der Uhrmacher war, zusammengebaut. Ich muss die Uhr alle zwei Tage aufziehen, dann läuft sie ziemlich genau. Mein Sohn mag die gelbe Uhr – gelb wegen des Messings und der Bernsteine.
Ich habe noch nie eine Uhr gebaut; ich weiß auch gar nicht, wie so etwas geht. Die Liste der Dinge, die ich nicht selbst machen kann, ist lang. Manches davon habe ich nie gelernt, für einiges fehlt mir die Zeit. Vieles davon betrifft auch mein Kind: Ich bastle keine fantasievollen Handpuppen. Ich gehe mit meinem Sohn in den Zoo, verbringe aber nie einen Tag mit ihm auf einem Bauernhof. Und ich backe nur Blechkuchen. Ich kenne Mütter, die die aufwändigsten Indianergewänder und Tierverkleidungen für ihre Kinder nähen. Die abfällig über Freibäder reden – weil der Besuch eines Weihers mitten im Wald pädagogisch sinnvoller ist, wegen der Natur und damit kein Chlorwasser an die empfindliche Kinderhaut kommt. Diese Mütter backen mehrstöckige Geburtstagskuchen, wahre Kunstwerke in Form von Zügen, Piratenschiffen, Märchenschlössern, erstklassig mit weißer oder brauner Bioschokolade überzogen, auf der vegane Smarties in Reih und Glied kleben. Sie fördern ihre Kinder von früh bis spät – mit Bambinischwimmen, musikalischer Früherziehung, kreativem Kindertanz und English Lessons for Toddlers . Die wenigsten dieser Mütter sind berufstätig. Ihre Kinder geben sie frühestens zum
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