Kann ich gleich zurueckrufen
einige im Rollstuhl. Sie genießen die Frühlingssonne, manche mit ihrem Besuch. »Gehen wir mit der Oma auch in den Garten?« »Ich glaube nicht«, sage ich. »Die Oma ist noch recht krank.«
Während der Busfahrt habe ich überlegt, wie ich ihm erklären soll, was mit meiner Mutter passiert ist. Wie macht man einem Dreijährigen klar, dass seine Großmutter einen Schlaganfall erlitten hat? Dass sie ihn vielleicht nicht mehr erkennt, dass sie Probleme hat mit dem Sprechen, dass sie in einem Bett liegt, an Instrumente angeschlossen ist, die ihre Lebensfunktionen überwachen. Ich habe beschlossen, ihn nicht mit Details und Erklärungen vorzubereiten. Sondern ihm einfach zu erklären, was er sieht und wonach er fragt.
Vor der Station 3a schalte ich das Handy aus. Die Tür ist geschlossen. Ich klingle. Eine Schwester kommt. »Ist das Ihr Kind?«, fragt sie. Ich bejahe. »Wir wollen meine Mutter besuchen.« Ich nehme meinen Sohn an die Hand. »Dann ist es in Ordnung«, sagt sie, »wir möchten sicherstellen, dass nur Angehörige die Patienten besuchen. Einfach, um für ein wenig Ruhe zu sorgen, was hier auf der neurologischen Station sehr wichtig ist.« Sie weist mich darauf hin, dass ich das Kind nicht unbeaufsichtigt lassen darf. »Das werde ich nicht«, sage ich.
Ich spüre, wie mein Sohn meine Hand umklammert. »Wo ist die Oma?«, fragt er. Ich nehme ihn auf den Arm, klopfe an ihre Zimmertür und öffne die Tür.
Meine Mutter liegt wie gestern im Bett am Fenster, sie liegt auf der Seite, mit dem Rücken zur Tür. Das Bett daneben ist immer noch leer. »Überraschung«, sage ich. »Oma!«, ruft mein Sohn. Meine Mutter dreht sich zu uns und lächelt. Es scheint ihr besser zu gehen, denke ich, ihre Bewegungen wirken sicherer. Ich sehe auch, dass keine Kabel mehr aus ihrem Nachthemd kommen, nur noch der Venenkatheter und der Clip sind an der linken Hand.
Ich setze mich auf ihr Bett und nehme den Kleinen auf meinen Schoß. Er traut sich nicht, meine Mutter zu umarmen, wie er es sonst tut. »Wie geht es dir denn heute?«, frage ich und nehme ihre rechte Hand. »Ganz gut, Herzchen«, sagt sie. Ihre Augen sind wach. »Hast du ein Aua?«, will mein Sohn wissen. Und streichelt ihre Hand, die in meiner Hand liegt. »Nein, nein, mir tut gar nichts weh«, sagt sie. »Ich bin nur recht müde. Und in meinem Kopf ist etwas komisch, deswegen bin ich hier in dem Krankenhaus.« Ich bin überrascht, wie klar sie ist. Und wie gut sie ihren Zustand beschreiben kann.
»Weißt du«, sage ich zu meinem Sohn, »hier im Krankenhaus gibt es sehr viele Ärzte. Und Ärztinnen. Die können rausfinden, was den Kopf von der Oma komisch macht. Und dann können sie der Oma helfen.« Er nickt. Meine Mutter auch. Wenn nur alles so einfach wäre.
»Wir haben dir was mitgebracht«, sage ich. »Ein Bild.« Ich hole das Bild aus meiner Tasche und gebe es meinem Sohn. »Ich habe im Büro ein Bild für dich gemalt«, sagt er und überreicht es meiner Mutter. Sie sieht es genau an. Dann sagt sie: »Da musst du mir aber jetzt helfen. Mein Kopf ist so komisch, dass ich nicht erkennen kann, was du gemalt hast.« Ich lache. Das Bild ist natürlich nicht gegenständlich, sondern zeigt bunte Striche in mehreren Farben und ein paar Punkte: die Zeichnung eines Dreijährigen. Auch ich kann nicht wirklich erkennen, was er gemalt hat, kann es nur erahnen. Und tippe auf Fluss und Steine. »Das ist der Fluss.« Mein Sohn deutet auf die Striche. »Und das sind die Steine.« Er deutet auf die Punkte. »Ah«, sagt meine Mutter. »Jetzt erkenne ich es auch.« Sie atmet hörbar aus, unser Besuch freut sie und strengt sie gleichzeitig an.
»Bist du heute wieder untersucht worden?«, frage ich. Sie bestätigt das, sagt aber nicht mehr. Ich verstehe. Details, Ergebnisse, Prognosen – all das muss ich bei der Stationsärztin erfragen. Ich sehe, dass sie immer noch das Nachthemd trägt, das ich ihr gestern angezogen habe. »Brauchst du irgendwas?«, frage ich sie. »Ich könnte dir helfen, ein frisches Nachthemd anzuziehen.« Sie sieht mich an, sagt aber nichts. »Soll ich lieber die Schwester darum bitten?« Sie nickt. »Mach ich«, sage ich.
Ich verbiete mir die Selbstzerfleischung, ihr gestern vielleicht nicht sanft genug geholfen oder so entsetzt gewirkt zu haben, dass meine Mutter meine Hilfe lieber nicht mehr in Anspruch nehmen möchte. Sie will einfach gerade nicht, dass ich ihr ein frisches Nachthemd anziehe, denke ich.
Auf dem Nachttisch steht ein Tablett mit
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