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Kann ich gleich zurueckrufen

Kann ich gleich zurueckrufen

Titel: Kann ich gleich zurueckrufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Streidl
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möchte. Diese Leute kommen und gehen. Ich aber bleibe. Natürlich ist es in meinem Interesse, wenn die Bundesregierung versucht, ein Umfeld zu schaffen, das mir Möglichkeiten und Chancen bietet. Ich will aber trotzdem eigene Entscheidungen fällen.
    Mein Telefon läutet. Die Sekretärin des Vorgesetzten fragt, ob es noch geht, dass ich kurz komme. Der Vorgesetzte möchte etwas mit mir besprechen, was etwa zwanzig Minuten dauert. Sie kennt meine Arbeitszeiten und weiß, dass ich um Punkt 14:45 Uhr gehen muss. Und sie weiß, dass Termine beim Vorgesetzten selten in fünf Minuten erledigt sind. Ich bin froh, dass sie so rücksichtsvoll ist, und willige ein. Erkläre meinem Sohn, was ich zu tun habe, und sehe meine Kollegin fragend an. Als sie nickt, sage ich, dass ich gleich wieder da bin. Dass ich nur ein paar Türen weiter bin. »Du sollst nicht weggehen«, sagt er. Dann schaut er weiter auf den Bildschirm. Der Film läuft noch etwa zwanzig Minuten. Das müsste reichen, denke ich mir, stehe auf und gehe aus dem Raum. Er protestiert nicht.
    Die Sekretärin telefoniert und bedeutet mir mit einer Handbewegung, in das Zimmer des Vorgesetzten gehen. Ich klopfe an die angelehnte Tür und trete ein. »Ah, die junge Mutter«, begrüßt mich der Vorgesetzte. »Sie haben Ihr Kind heute ins Büro gebracht. Wie kommt’s, dass ich davon erst jetzt und nicht von Ihnen erfahre?« Ich erkläre, dass ich aufgrund eines angekündigten Streiks im Kindergarten keine andere Betreuungsmöglichkeit gesehen habe. Dass ich seiner Sekretärin heute Morgen Bescheid gegeben habe – noch bevor er im Büro war. Und dass sich bei mir niemand über die Anwesenheit des Kindes beschwert hat. »Im Gegenteil«, sage ich. »Die Kolleginnen und Kollegen reagieren ausnehmend positiv auf meinen Sohn.« Der Vorgesetzte lächelt. »Das freut mich«, sagt er. Und fragt, wie lange der Streik im Kindergarten denn dauert. Ob ich noch ein, zwei Tage unbezahlten Urlaub brauche. Er würde mich gerne unterstützen.
    Ich bin überrascht. Und frage mich, ob es eine Falle ist, ob er das E für Elternzeit in seinem Kalender gefunden hat und mir ein Bein stellen möchte. Sei wachsam, sage ich zu mir. Und nutze diesmal deine Chance.
    Ich bedanke mich für sein Angebot. Sage, dass ich darauf zurückkommen werde, wenn es eng wird. Da der Streik im Kindergarten aber befristet ist und morgen alles wieder wie gewohnt laufen wird, brauche ich keinen unbezahlten Urlaub. Ich füge »vorerst« hinzu – schließlich hat meine Mutter gerade einen Schlaganfall gehabt. Was mein Vorgesetzter aber nicht weiß.
    »Ich hätte da noch ein anderes Thema«, sage ich dann. »Vergangenen Monat ist mein Sohn drei Jahre alt geworden. Damit ist der Zeitraum, den Sie mit mir für meine Elternzeit, also die Kombination aus Elterngeld und Teilzeitarbeit, vereinbart haben, abgelaufen. Ich möchte gerne mit Ihnen über meine Zukunft sprechen.«
    Jetzt ist er überrascht. Meine Befürchtung, dass er mir eine Falle stellen wollte, weil ich keinen Kündigungsschutz mehr genieße, scheint sich nicht zu bewahrheiten. »Das hatte ich gar nicht auf dem Schirm«, sagt er und wählt die Nummer seiner Sekretärin. Er bittet sie, meine Akte zu holen. »Haben Sie sich denn schon Gedanken gemacht, wie Sie hier in Zukunft arbeiten möchten?«, fragt er. Die Sekretärin kommt mit einer roten Mappe ins Zimmer, auf der mein Name steht. Sie legt die Mappe auf den Tisch und geht wieder raus. Der Vorgesetzte blättert in den Unterlagen. Es fällt mir schwer, nachzudenken – obwohl ich weiß, dass es jetzt besonders wichtig ist, mich nicht über den Tisch ziehen zu lassen. Ich werde erst mal zu nichts Ja sagen, nehme ich mir vor.
    »Tatsächlich«, sagt der Vorgesetzte. »Ihre Elternzeit ist vorbei. Wir müssen einen neuen Vertrag machen.« Nun sieht er mich an. »Sind Sie denn an einer Veränderung interessiert? Oder sind Sie wieder schwanger?« Ich will nur die erste Frage beantworten. »Ich bin grundsätzlich immer an Veränderungen interessiert, wenn sie mir guttun.« Und mit dem Wohl der Firma in Einklang zu bringen sind, füge ich nach einer kurzen Pause hinzu. »Was können Sie mir denn anbieten?«, frage ich dann. Ihm den Ball zuspielen, fragen, nicht rechtfertigen.
    »Also, auf jeden Fall möchte ich Sie nicht verlieren«, sagt er. Dann holt er aus, meint, dass er mich weder unter- noch überfordern will. Und dass er die vielen Sorgen, die eine junge Mutter, eine junge Familie umtreiben, aus eigener

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