Kann ich gleich zurueckrufen
angebracht, meinem Kind Mut zu machen.
Wir essen Suppe. Der Kleine gähnt. Nach der Suppe gibt es noch ein bisschen Joghurt. Ich räume schnell die Küche auf, während mein Sohn auf dem Küchenboden sitzt und mit Autos spielt. Er gähnt wieder. »Wollen wir Fotos anschauen?«, frage ich. Wir gehen ins Wohnzimmer und setzen uns mit zwei Alben aufs Sofa. Im einen sind Bilder von meiner Kindheit, im anderen Bilder von meiner Hochzeit, meiner Schwangerschaft und den ersten Monaten nach der Geburt meines Sohnes. Es sind seine Lieblingsalben, die er oft ansehen will.
Um 19:02 Uhr sage ich ihm, dass jetzt Schlafenszeit ist. Er ist einverstanden. Ich gehe in die Küche und bereite den Kakao vor. Dann rufe ich ihn, doch er kommt nicht. Hat er sich versteckt? Ich gehe durch die Wohnung und suche ihn. Aus dem Bad höre ich ein leises »Piep«. Da sitzt er, in der Dusche, hinter dem Duschvorhang und strahlt. »Gefunden!«, rufe ich. Er lacht und will auf meinen Arm. Ich drücke ihn an mich und fühle mich gut. Erstaunlich komplett, gar nicht zerstückelt oder gehetzt wie sonst.
Kakao, Schlafanzug, Zähneputzen, und schon liegt er im Bett. Er möchte seinen Plüschhasen haben. Ich hole ihn aus meiner Tasche. Dann will er noch mal das Buch mit der kurzsichtigen Hexe lesen. An derselben Stelle wie zuvor sagt er, dass der Kopf der Hexe komisch sei. Ich stimme ihm zu. Und sage diesmal nichts von der Oma und ihrem komischen Kopf. Nach dem Buch mache ich das Licht aus. Mein Sohn nimmt meine Hand und drückt sie noch einmal. Dann schläft er ein, den Hasen im Arm. Ich bleibe lange bei ihm sitzen, halte seine Hand und beobachte ihn beim Schlafen. Er atmet ruhig, liegt auf der Seite.
Ich bin sehr stolz auf ihn. Es war ein wirklich schwerer Tag mit schwierigen Situationen. Erst das Büro, dann das Krankenhaus, Orte, an denen er noch nie zuvor war. Meine Anspannung hat er sicher auch gespürt.
Ist das jetzt eine positive Form der Vereinbarkeit, frage ich mich, wenn ein Kind so gut mitspielt? Und dann wächst in mir auch schon das schlechte Gewissen. Was habe ich ihm da nur zugemutet, ihn zur Arbeit mitzuschleppen. Doch so schlecht schien es ihm dort nicht gefallen zu haben. Außerdem hat er jetzt eine Vorstellung von dem, was ich mache, während er im Kindergarten ist. Meine Arbeit ist jetzt für ihn verknüpft mit einem Ort und mit Gesichtern. Das finde ich gut.
Und dass ich ihn mit ins Krankenhaus genommen habe, das werfe ich mir auch nicht vor. Er wird schon kein Bündel an Krankheiten mit auf die Stroke Unit gebracht haben. Oder mitgenommen haben. Ich hoffe natürlich, dass er an keinem Treppengeländer mit bösen Keimen in Berührung gekommen ist, die ihn krank machen. Dass er seine Großmutter auch mal schwach und krank gesehen hat, hilft ihm vielleicht, damit zurechtzukommen, wenn sie sich von dem Schlaganfall nicht mehr wirklich erholt. Oder eines Tages stirbt.
Das Telefon läutet. Leise stehe ich auf und gehe ins Wohnzimmer. Es ist mein Mann. Flugzeug gelandet, er wartet auf sein Gepäck. Er will noch ins Hotel und kurz Essen gehen, bevor die Vorbesprechungen für die Präsentation der Familienlimousine beginnen. »Aber«, sagt er, »erzähl du, wie es bei dir gelaufen ist.«
»Im Büro ist alles gut gegangen«, sage ich und erzähle dann noch von meinem Gespräch mit dem Vorgesetzten. »Du hast mir gar nicht gesagt, dass die Elternzeit rum ist«, sagt mein Mann. »Ich hab’s vergessen«, sage ich. »Weil es dann doch nicht so wichtig war.« Eigentlich wollte ich am Samstagabend mit ihm darüber sprechen. Aber dann kam ja alles anders. »Und im Krankenhaus?«, fragt mein Mann. »Eigentlich nichts Neues«, sage ich, und dass ich morgen versuchen werde, Ärztin oder Arzt ans Telefon zu bekommen. »Wenigstens ist morgen der Kindergarten wieder auf«, sagt mein Mann. Er gähnt, und ich sage, er soll jetzt was essen und sich wenn möglich etwas ausruhen.
Ich bleibe auf dem Sofa sitzen, das Telefon noch in der Hand. Mein Mann fehlt mir. Es ist schwer, Pläne in die Tat umzusetzen, wenn man allein ist.
Ich überlege, was diese Woche ansteht. Morgen zunächst das Gespräch mit der Stationsärztin und/oder dem Oberarzt. Ich nehme mir vor, um acht im Krankenhaus anzurufen. Und dann muss ich mich um eine neue Putzfrau kümmern. Ich suche die letzte Abrechnung von Zsófia, an der ein Post-it-Zettel klebt. Mit einer Handynummer von Borbála, ihrer Freundin, die auch putzt. Der Vorname klingt ungarisch. Ich schaue auf die Uhr. 19:54
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