Katie außer Rand und Band - wie eine Hundedame unser Herz eroberte
befreit, wild hinter meinem Hund herjagt, in der Badewanne Schaum verspritzt oder sich das ganze Gesicht mit Schokolade verschmiert.
Aber die Zeit bleibt nicht stehen. John arbeitet mittlerweile als Redakteur für die International Herald Tribune und lebt glücklich und zufrieden mit einem neuen Partner in Paris. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass er in absehbarer Zeit wieder in die USA übersiedelt, auch wenn ich es mir sehr wünschen würde.
Ryan, der Meister der Computerspiele, hat an der Internationalen Schule in Paris seinen Abschluss gemacht und will in Japan und Kalifornien studieren. Ich erinnere mich an ihn als einen temperamentvollen Jungen, der Katie zu Wettrennen im Korridor und zum Fußballspielen aufgefordert hat. Mittlerweile ist er ein nachdenklicher, in sich gekehrter, eher schüchterner, dabei aber sehr einfühlsamer junger Mann geworden.
»Pearl war für mich immer meine Großmutter«, erzählte er mir vor Kurzem über Skype und winkte mir zu.
»Wir haben über vieles geredet. Sie hat mir vorgelesen, Karten mit mir gespielt, mich vom Schulbus abgeholt und mich mit selbst gebackenem Schokoladenkuchen verwöhnt oder mit allen möglichen anderen Leckereien, die sie für mich eingekauft hat. Katie hat immer ihre Schnauze in die Schachteln gesteckt und versucht, etwas zu klauen. Sie hat mich oft geküsst und mir das Gesicht abgeschleckt. Und ich weiß noch sehr gut, dass sie bei den Wettrennen geschummelt hat!« All diese bittersüßen Erinnerungen sind Geschenke, die keiner von uns je vergessen wird.
Und ich? Ich lebe noch immer in derselben Wohnung im dritten Stock mit Blick auf den Hudson, komme also jeden Tag an Grannys Wohnung vorbei. Manchmal ist es ein bisschen unheimlich, es kommt mir vor, als würde sich dort noch der Geist der Vergangenheit herumtreiben. An ihrem Türpfosten klebt sogar noch die Mesusa, eine Schriftkapsel mit einem hebräischen Gebetsvers, die Arthur vor siebenundzwanzig Jahren angebracht hat – eine Erinnerung an seinen starken Glauben.
Doch der Rap, der aus der Wohnung dringt, holt mich rasch in die Gegenwart zurück. Ironischerweise lebt dort jetzt ein junger Discjockey. Was hätte Granny wohl dazu gesagt? Es kommt mir seltsam vor, wenn ich sehe, wie er dort ein und aus geht. Wenn er die Tür aufmacht, werfe ich manchmal verstohlen einen Blick ins Innere und hoffe, einen Moment lang wieder zu erleben, was in jenen Räumen alles geschehen ist.
Doch im Grunde spielt es keine Rolle, ob ich diese Wohnung je wieder betrete; denn was dort passiert ist, ist jetzt ein Teil von mir.
Die Geschichte, die an diesem kleinen Ort am Wasser ihren Anfang nahm, werde ich nie vergessen. Wahrscheinlich widerfährt einem so etwas nur ein Mal im Leben. Nichts Dergleichen wird sich wiederholen.
Inzwischen glaube ich, dass sich das alles nicht rein zufällig so zugetragen hat, sondern von einer höheren Macht, einer göttlichen Vorsehung, gelenkt wurde. Ich tue nicht so, als verstünde ich es, aber ich fühle es ganz deutlich.
Oft fällt mir der Satz ein: »Zur rechten Zeit am rechten Ort sein«; denn tagtäglich sehe ich, dass daran etwas Wahres ist, und ich glaube fest daran, dass er seine Gültigkeit behalten wird.
Manchmal frage ich mich, wie es mir gelungen ist, den richtigen Züchter zu finden, der ausgerechnet noch einen Welpen für mich übrig hatte; einen, den kein anderer haben wollte. Warum habe ich »zufällig« Pearl getroffen und später dann John und Ryan an jenem kalten Januartag im Stadtteilzentrum?
Intuitiv weiß ich, dass diese Kette anscheinend unzusammenhängender Ereignisse Geschenke waren – Einladungen einer höheren Macht, die mich dazu gebracht haben, einen Schritt vorwärts zu machen und die Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen.
Ich glaube, dass Granny und Arthur, John und Ryan und auch meine Katie solche Geschenke waren.
Ohne sie ist unser Korridor natürlich sehr viel einsamer, und mit dem Vakuum, das sie hinterlassen haben, habe ich manchmal noch heute meine liebe Not. Doch es entwickeln sich neue Freundschaften, und alte vertiefen sich, wenn wir es am nötigsten brauchen.
Inzwischen fühle ich mich meiner Nachbarin Linda sehr nahe. Sie lebt im siebzehnten Stock und stand immer im Hintergrund meines Lebens, bis wir uns beide in unserem Mieter- und Eigentümerverband engagierten. Sie ist gewitzt, forsch und unterstützend; tagtäglich hole ich mir bei ihr weisen Rat und lache mit ihr.
Außerdem gibt es noch meinen inoffiziellen »Lebenscoach« und
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