Katrin Sandmann 02 - Kinderspiel
in einer heißen Schrecksekunde, dass Manfred noch lebte, weil Thomas Heinrich ihn aus unerfindlichen Gründen für Kai hielt. Thomas wollte Kai Rutkowski die Morde anhängen, und deshalb musste er natürlich als letzter sterben.
»– und dich.« Thomas Heinrich richtete die Waffe auf Katrin. »Und nachdem er alle umgelegt hat, hat er seinem eigenen erbärmlichen Dasein ein Ende bereitet. Niemand wird auch nur im Entferntesten denken, dass ich etwas damit zu tun haben könnte .«
Heinrich machte eine abrupte Bewegung. Katrin warf sich auf den Boden und rollte zur Seite. In letzter Sekunde hatte sie gesehen, wie der Griff, mit dem er die Pistole umklammerte, fester wurde und sein Blick sich entschlossen auf sie heftete. Der Schuss traf sie nicht, sondern schlug in einen Baum hinter ihr.
Sie rutschte die Böschung hinunter. Ihr Gesicht schabte über einen Felsbrocken und ihre Wange brannte höllisch. Thomas Heinrich stürzte hinter ihr her. In großen, hastigen Sprüngen eilte er den Hang hinunter. Katrin kroch auf allen Vieren weiter Richtung Düssel . Es war mittlerweile fast völlig dunkel und sie gab kein gut erkennbares Ziel ab.
Vielleicht schaffte sie es, durch den Bach zu laufen und ans andere Ufer zu gelangen. Dann konnte sie auf die Landstraße rennen und Hilfe holen. Sie kroch hastig weiter. Die Straße war ganz nah. Sie konnte vereinzelte Autos vorbeifahren hören. Wenn sie sich aufrichtete, könnte sie vermutlich sogar das zuckende Licht der Scheinwerfer sehen.
Katrin erreichte den Bach, richtete sich auf und raste los. Das Wasser war nur knöcheltief, aber der Untergrund war steinig und glitschig. Sie kam bis zur Mitte der Düssel , dann erwischte er sie. Er sprang auf ihren Rücken und warf sie zu Boden.
Sekundenlang befand sich ihr Gesicht unter Wasser, dann riss sie den Kopf hoch und schnappte japsend nach Luft. Er drehte sie auf den Rücken. Jetzt kniete er über ihr, seine Schienbeine drückten in ihren Bauch und seine linke Hand umfasste ihren Hals.
Sie keuchte und würgte. Er hielt die Waffe direkt an ihre Schläfe. Der Lauf war noch heiß und brannte in ihr Fleisch.
Einen Augenblick lang verharrten beide reglos. Thomas Heinrich starrte sie an, Katrin erwiderte gelähmt vor Angst seinen Blick.
Dann begriff sie. Er konnte sie nicht töten. Nicht, wenn er ihr dabei in die Augen sehen musste. Er schaffte es nicht. Er hatte sie als kleines Mädchen auf seinen Knien gewiegt und ihr Geschichten erzählt. Sie war das Nächste an einem eigenen Kind, das er je gehabt hatte. Er konnte sie nicht töten.
Sie tastete mit steifen Fingern im Flussbett herum, bis ihre Hände einen dicken Stein umfassten.
Thomas Heinrich starrte sie immer noch an. Es war, als wäre für sie beide die Zeit stehen geblieben. Um sie herum lebte der Wald, floss die Düssel , aber sie sahen sich gegenseitig in die Augen, reglos, wie versteinert.
Katrin bewegte ihre Hand wie in Zeitlupe. Sie umklammerte den Stein, sammelte ihre letzten Kraftreserven und schleuderte ihren Arm so fest sie konnte in seine Richtung.
Sie traf Heinrich an der Schläfe. Er glotzte sie verwundert an, so wie Hansi ihn Minuten zuvor angesehen hatte, als der Schuss ihn traf, dann sank er über ihr zusammen.
Katrin schob den schweren Körper von sich herunter. Benommen richtete sie sich auf. Ihre Beine zitterten vor Kälte und Erschöpfung. Ihr Gesicht brannte. Sie blickte in Richtung Brücke. Schemenhaft erkannte sie Manfred. Er stand immer noch reglos und verkrampft auf dem Salzstein, der im Dämmerlicht hell schimmerte und in der Mitte jetzt gefährlich dünn war. Sie hechtete durch das Wasser und krabbelte die steile Böschung hoch. Sie wollte ihm etwas Beruhigendes zurufen, aber ihre Stimme versagte.
Gerade als sie den Weg erreichte, machte Manfred eine abrupte Bewegung und das Seil straffte sich. Der Salzstein war weggebrochen . Er stand noch immer auf der unteren Hälfte, aber sein Atem ging röchelnd. Der Strang schnürte ihm die Luft ab. Katrin hastete auf die Brücke. Sie kniete sich auf den Boden und begann, mit klammen Fingern an dem Knoten zu fummeln. Ihre Hände bebten und waren steif vor Kälte und Angst. Der Knoten hatte sich durch Manfreds Körpergewicht noch fester zugezogen und sie fingerte verzweifelt daran herum. Hätte sie doch nur ein Taschenmesser dabei!
Panisch sah sie sich um. Ein Stück weiter flussabwärts lag Thomas reglos im seichten Wasser. Ob er etwas dabei hatte, womit man das Seil durch trennen konnte? Die Pistole
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