Katzen, Killer und Kakteen
»Ich könnte diese Frau umbringen.«
Bis zu dieser Äußerung hatten Penelope Warren und Big Mike, der abessinische Straßenkater aus Afrika, fernab vom kalten und regnerischen Wetter draußen, vor dem gemütlichen Kamin der Buchhandlung Mycroft & Co gesessen. Sie hatte gelesen, während er abwechselnd döste und zu den Klängen von Jimmy Buffett an die alten Zeiten im afrikanischen Busch dachte. Er hörte zwar auch gerne Andrew Lloyd Webber und John Williams, aber Jimmy Buffett war Big Mikes Favorit. Wie sagte Penelope so schön: »Natürlich, schließlich mag er jeden, der nach einem Katzenfutter benannt ist.«
Als jedoch Elaine Henders durch die Tür des kleinen Buchladens gestürmt kam, waren Jimmy Buffetts zotige Texte für eine Weile vergessen. Laney konnte alles und jeden übertönen, selbst Jimmys Geplärre.
»Laney, hast du völlig den Verstand verloren, bei diesem Wetter draußen herumzulaufen?«
»Ich mußte in die Stadt«, erwiderte Laney und strich sich ihr flammendrotes Haar aus dem Gesicht. Sie öffnete ihren Regenmantel und setzte Alexander, ihren kleinen Yorkshireterrier auf den Boden. Penelope kniete sich hin, um Alex zu begrüßen, der ihr freudig die Hand ableckte und dann jaulend und ganz außer sich zu Mycroft hinüberstürzte. Dieser hockte mit seinem stolzen Gewicht von zwölf Kilo da und ließ die aufdringliche Zunge des kleinen Hundes gutmütig gewähren. Nach diesen Liebesbeweisen setzte sich Alex neben Mycroft. Er hatte schnell gelernt, daß ein oder zwei sabbrige Hundeküsse erlaubt waren, er sich aber bloß Kratzer auf der feuchten, schwarzen Nase einhandelte, wenn er es zu weit trieb. Alex blickte Penelope mit seinen sanften Hundeaugen an und wartete auf einen Leckerbissen, der auch prompt zum Vorschein kam. Sie hatte extra für seine Besuche hinter der Ladentheke einen Vorrat angelegt.
»Also wirklich«, sagte Laney und schüttelte den Kopf, »die beiden sehen aus wie Dick und Doof.« Der Yorkshireterrier war nicht einmal halb so groß wie der Kater.
»Warum mußtest du in die Stadt, und wen willst du umbringen?« fragte Penelope, obwohl sie die Antwort auf die zweite Frage schon ahnte. »Louise Fletcher natürlich.«
Ihrem enormen Reichtum und ihrer unheilbaren Neugier verdankte Louise Fletcher den Spitznamen First Lady von Empty Creek. Einige nannten sie auch Königin Louise I.
»Was hat sie denn diesmal wieder getan?«
»Diese dumme Kuh hat wirklich Nerven. Während sie im Postamt einen Eilbrief abholte, hat sie mich in zuckersüßem Ton gefragt, wann ich denn endlich damit aufhören werde, diesen Schmutz zu schreiben. Ist das zu fassen? Schmutz, einfach unglaublich.«
Laney schrieb beliebte und hocherotische Liebesromane, die im alten Arizona spielten. Wie die Autorin selbst, ähnelten die Heldinnen der jungen Maureen O’Hara. Sie sahen alle verführerisch aus und wurden dementsprechend häufig von den männlichen Gegenspielern verführt. Laney verdiente mit den Büchern einen Haufen Geld.
»Ach, Laney, kümmere dich doch gar nicht darum.«
»Aber ich schreibe keinen Schmutz.«
»Und was war so wichtig, daß du bei diesem Wetter in die Stadt kommen mußtest?«
»Ich habe den Briefträger verpaßt und mußte deswegen das Päckchen selbst bei der Post abholen.«
»Konnte es nicht warten?«
»Nein. Es ist ein schwarzes Neglige für heute abend. Ich hatte schon Angst, es würde nicht rechtzeitig ankommen.«
»Du bist so was von prüde. Warum gehst du nicht einfach in einen Laden und kaufst eins?«
»Klar, damit gleich jeder weiß, was ich heute abend mit meinem Cowboy vorhabe. Nein danke.«
Penelope war zwar nicht der Meinung, daß Laneys Cowboy diese rücksichtsvolle Behandlung verdiente, hielt aber wie üblich den Mund. Wally war… war eben einfach Wally. Ein Cowboy, dessen einzig sichtbare Einnahmequelle darin bestand, daß er gelegentlich seine Pferde in den Anhänger lud, seinen Staubmantel und seine Waffen einpackte und für ein paar Tage verschwand, um als Statist in den Western- und Fernsehshows mitzuwirken, die in der Wüste gedreht wurden. Wally war stolz darauf, daß er einmal beinah eine Sprechrolle in einem der Zurück in die Zukunft-Filme bekommen hätte.
»Das hättest du doch bestimmt auch nicht gemacht, oder?« fuhr Laney fort.
»Wahrscheinlich nicht«, gab Penelope widerstrebend zu. »Aber du machst keinem was vor. Es wird sich in der Stadt wie ein Lauffeuer herumsprechen, daß Elaine Henders Päckchen von Frederick’s of Hollywood
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