Katzenjammer
den Patienten. Das ist meine Chance, und ich werde sie nutzen!
SECHS
K omm Schatz, lass mich doch mit Herkules Gassi gehen. Wenn dein Fuß noch so weh tut, solltest du ihn lieber ein bisschen hochlegen, anstatt unserem Kampfdackel hinterherzuhinken.«
»Danke, das ist lieb von dir. Es geht zwar schon viel besser, aber so ganz in Ordnung ist mein Fuß tatsächlich noch nicht.«
Seit ihrem kleinen Unfall an der Alster lahmt Carolin. Und zwar gewaltig. Zudem hat sich herausgestellt, dass Marc sich zwar mit Pferdegelenken bestens auskennt, bei Menschen hingegen passen muss. Viel mehr als ein paar aufmunternde Worte und das Angebot, mit mir spazieren zu gehen, ist vom Herrn Doktor noch nicht gekommen. Das überrascht mich: Es kann doch nicht sein, dass Marc vom Hamster bis zum Elefanten alles behandelt, was durch seine Praxistür kommt, bei Carolin aber völlig ahnungslos ist. Ob er vielleicht keine Lust hat, sich um sie zu kümmern? Weil er mit seinen Patienten schon ausgelastet ist? Aber ein reines Zeitproblem kann es auch nicht sein: Immerhin hat sich Marc jetzt meine Leine geschnappt und scheint fest entschlossen, eine Runde mit mir zu drehen. Gut, ich muss nehmen, wen ich kriegen kann. Denn nicht nur, dass Caro schwächelt: Luisa ist dieses Wochenende gar nicht da.
Marc zieht sich eine Jacke über, dann geht es los. Wir steuern direkt auf den Park zu, das ist gewissermaßen unsere Stammstrecke. Nicht mehr besonders aufregend für mich, aber immer wieder gerne genommen. Kaum haben wir allerdings die ersten Bäume passiert, setzt sich Marc schon auf eine Parkbank. Ach nö – was soll das denn? Das ist doch wohl nicht wahr! Soll ich jetzt etwa im Kreis um die Bank laufen? Ich zerre an der Leine und belle.
»Keine Sorge, Herkules, es geht gleich weiter. Ich muss nur mal eben in Ruhe telefonieren. Dauert auch nicht lang.«
Okay, das kann sogar stimmen. Wenn Marc telefoniert, dann tatsächlich meist sehr kurz. Carolin hingegen kann stundenlang in das kleine Kästchen sprechen, das sie sich beim Telefonieren ans Ohr hält. Wie überhaupt alle Menschenfrauen, die ich bisher beim Telefonieren beobachtet habe, hier wesentlich mehr Ausdauer beweisen als Männer. Dann kann ich also nur hoffen, dass Marc nicht mit einer Frau telefonieren will. Ich setze mich neben die Bank.
»Hallo Sabine, Marc hier. Du hattest um Rückruf gebeten.«
Mist. Soweit ich weiß, ist Sabine ein Frauenname. Ich glaube, die eigentliche Mutter von Luisa heißt zum Beispiel so. Die Stimme, die ich dank meiner ausgezeichneten Ohren aus dem Telefon hören kann, ist auch tatsächlich die einer Frau. Das kann also dauern. Ich lege mich hin. Gähn. Vielleicht schlafe ich ein bisschen.
Bevor ich jedoch wegdämmern kann, ändert sich die Stimmung schlagartig von »langweilig« zu »explosiv«. Und nicht nur die Stimmung – vor allem Marcs Stimme bekommt auf einmal einen ganz schneidenden Ton.
»Ich muss dich gar nichts fragen. Ob meine Freundin bei mir einzieht, geht dich nichts an! Ich kann mich auch nicht erinnern, dass du mich gefragt hättest, bevor du mit deinem Flugkapitän abgehoben bist.«
Auch die Frau klingt auf einmal ganz aufgeregt. Ich kann zwar keine einzelnen Worte verstehen, aber ihre Stimme ist plötzlich hell und schrill.
»So, du machst dir Sorgen um deine Tochter? Das ist aber neu. Wo waren denn deine Muttergefühle, als du ausgezogen bist? Das war für Luisa mit Sicherheit schlimm.«
Sabine, Luisa? Marc scheint also tatsächlich mit Luisas Mutter zu telefonieren. Aber warum ist er denn so wütend? Ich dachte, das Konzept menschlicher Familie sei Harmonie. Davon ist Marc aber meilenweit entfernt: Er brüllt regelrecht. Verschreckt verkrieche ich mich unter der Parkbank. Jetzt springt Marc auf und geht vor der Bank auf und ab. Ich beobachte ihn aus sicherer Entfernung. Seine Aggression ist so greifbar, dass ich ein bisschen Angst bekomme. Sabine schreit auch irgendwas, aber Marc fällt ihr ins Wort.
»O nein, meine Liebe, so einfach ist es eben nicht. Wir waren uns einig, dass Luisa zu mir zieht. Das war eine gemeinsame Entscheidung. Wenn dir das heute nicht mehr schmeckt, ist das allein dein Problem.«
Jetzt wieder sie – weit kommt sie allerdings nicht. Marc unterbricht sie und schreit in den Hörer.
»Pass mal auf, Sabine: Ich bin endlich wieder glücklich, und das stinkt dir. So einfach ist das.«
Dann drückt er auf einen Knopf und steckt das Handy in seine Hosentasche. Er atmet tief durch, dann dreht er sich zu mir
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