Katzenkrieg
Spiritualität zu werden. Aus demselben Grund verwarf er El Greco als Hofmaler. Dank diesen Vorsichtsmaßnahmen haben die Madrilenen zwar viele Fehler, sind aber keine Schwärmer. Als Hauptstadt eines Riesenreiches, dem die Religion Auskommen und Zusammenhalt verschaffte, konnte sich Madrid nicht immer ganz aus kirchlichen Angelegenheiten heraushalten, aber so weit wie möglich delegierte es deren dunkelste Seiten an andere Städte: Salamanca war der Schauplatz erbitterter theologischer Debatten, die heilige Teresa de Jesús, der heilige Juan de la Cruz und der heilige Pedro de Alcántara erlebten ihre Ekstasen in Ávila, und die schrecklichen Ketzerverbrennungen fanden in Toledo statt.
Gestärkt durch Velázquez’ Gesellschaft und die der Stadt, die den Maler aufgenommen und auf den Gipfel seines Ruhms geführt hatte, und trotz Kälte und Wind marschiert Anthony Whitelands durch den Paseo del Prado zur Plaza de Cibeles und folgt dann dem Paseo de Recoletos zum Paseo de la Castellana. Dort sucht er nach der angegebenen Nummer und findet sich vor einer hohen Mauer und einem Gittertor. Durch die Stäbe hindurch sieht er hinten in einem Park einen kleinen zweistöckigen Palast mit Säulenportikus und hohen Fenstern. Diese unauffällige Größe erinnert ihn an die Natur seiner Aufgabe, und die Euphorie weicht der vorherigen Mutlosigkeit. Aber es ist so oder so zu spät, um den Rückzug anzutreten. Er stößt das Gittertor auf, durchquert den Garten bis zur Eingangstür und klingelt.
3
Nur drei Tage zuvor hatte er in dem Angebot noch eine wunderbare Chance gesehen, etwas in seinem Leben zu verändern, was ihm allmählich unerträglich geworden war. Immer wenn er allein war, fasste er den festen Entschluss, sein Abenteuer mit Catherine zu beenden; danach, wenn er sich mit ihr traf, wurde er wieder schwach und von qualvollen Zweifeln befallen, so dass ihre Begegnungen zu einem absurden Drama wurden. Die Beziehung lief ständig Gefahr aufzufliegen, und im Gegenzug erhielten sie nur eine Weile des Kummers, der Vorwürfe und des bitteren Schweigens. Aber je bewusster ihm wurde, dass er dieses ungesunde Verhältnis beenden musste, desto düsterer zeichnete sich zugleich eine wiedergewonnene Normalität ab. Catherine war das einzig Aufregende in einem mit so viel Zurückhaltung aufgebauten Leben, dass er mit seinen vierunddreißig Jahren jetzt dazu verdammt war, nichts mehr zu erwarten denn eine Routine, die umso bedrückender war, als jedermann in ihr die Erfüllung aller Wünsche und Ambitionen sah.
Obwohl er von einer Familie der middle class abstammte, hatten ihm seine Intelligenz und seine Beharrlichkeit die Türen zu Cambridge geöffnet. Hier hatte ihn zunächst die Kunst im Allgemeinen, danach die Malerei und schließlich die spanische Malerei des Goldenen Zeitalters dermaßen fasziniert, dass er seine ganze intellektuelle und emotionale Energie in sie investierte und auf alles andere verzichtete. Während seine Kommilitonen Liebesabenteuern hinterher- oder zu den vergifteten Ideologien jener Jahre überliefen, lebte er tief versunken in einer von Heiligen und Königen, von Infantinnen und Narren bewohnten Welt aus den Paletten Velázquez’, Zurbaráns, El Grecos und vieler weiterer Maler, die eine unvergleichliche technische Meisterschaft mit einer dramatischen, sublimen Weltsicht verbanden. Nach Studienabschluss und nachdem er immer wieder lange in Spanien gewesen und durch Europa gereist war, begann er zu arbeiten, und bald trugen ihm sein Wissen, seine Integrität und seine Gründlichkeit Prestige ein, wenn auch nicht Ruhm oder Geld. Sein Name hatte Klang im kleinen Kreis der Sachverständigen, die sonst eher zum Kritisieren als zum Aufmuntern neigten. Weder auf diesem noch auf einem anderen Gebiet strebte er mehr an. Eine Freundschaft mit einer attraktiven, kultivierten und begüterten jungen Frau, die mit wachsender Zuneigung in die Ehe gemündet war, löste seine materiellen Probleme und erlaubte es ihm, Zeit und Streben ganz seiner großen Leidenschaft zu widmen. Im Wunsch, den Gegenstand seiner Verzückung zu teilen, unternahmen sie eine Reise nach Madrid. Unglücklicherweise gerieten sie mitten in einen Generalstreik, und überdies zog sich seine Frau wegen des Wassers oder der Kost eine Darmkrankheit zu, was sie davon abhielt, das Experiment zu wiederholen. Das häusliche Leben und ein dichtes Netz aufreibender gesellschaftlicher Beziehungen richteten schließlich eine Verbindung zugrunde, die nie
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