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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Mendoza
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England. Different. Spanien Sonne, Stierkampf, Gitarren, Wein. Everibodi olé. England nix Sonne, nix Stierkampf, nix Freude. Everibodi kaputt.» Er schwieg eine Weile, damit der Engländer seine soziologische Theorie verarbeiten konnte, und fügte dann hinzu: «In England König. In Spanien nix König. Vorher König. Alfonso. Jetzt nicht mehr König. Finis. Jetzt Republik. Präsident: Niceto Alcalá Zamora. Wahlen. Zuerst befehlen Lerroux, jetzt Azaña. Ein Haufen politische Parteien, alle schlecht. Politiker unverschämte Kerle. Everibodi Dreckskerle.»
    Der Engländer nahm seine Brille ab, reinigte sie mit dem Einstecktuch, das aus seiner oberen Jacketttasche lugte, und schaute dabei aus dem Fenster. Auf dem ockerfarbenen Boden, der sich dahinzog, so weit das Auge reichte, wuchs kein einziger Baum. In der Ferne sah er einen Bauern mit einer Decke und einem breitkrempigen Schlapphut im Damensitz auf einem Maultier. Weiß Gott, woher der kommt und wohin er geht, dachte er, ehe er sich wieder dem Mann mit mürrischem Ausdruck zuwandte, um zu zeigen, dass er keine Lust auf eine Fortsetzung des Gesprächs hatte. «Ich bin über die Umschwünge der spanischen Politik auf dem Laufenden», sagte er frostig, «aber als Ausländer fühle ich mich nicht berechtigt, mich in die inneren Angelegenheiten Ihres Landes einzumischen oder mich dazu zu äußern.»
    «Hier legt sich niemand mit niemandem an», sagte der redselige Reisende ein wenig enttäuscht, als er das perfekte Spanisch des Engländers hörte, «das fehlte noch. Ich habe es nur gesagt, um Sie über die Sachlage zu informieren. Auch wenn man bloß auf der Durchreise ist, schadet es nicht, zu wissen, mit wem man es gegebenenfalls zu tun hat. Angenommen, ich bin aus irgendeinem Grund in England und komme auf den Gedanken, den König zu beschimpfen. Was passiert? Ich werde eingebuchtet. Ganz normal. Und hier genau dasselbe, bloß umgekehrt. Womit ich sagen will, dass sich die Dinge seit einiger Zeit geändert haben.»
    Davon merkt man nichts, dachte der Engländer. Er sagte es aber nicht, er wollte nur dieses banale Gespräch beenden. Gewitzt blickte er nun den Geistlichen an, der unauffällig, aber mit kaum verhohlener Missbilligung dem Geschwätz des Republikaners gefolgt war. Der Trick zeitigte die gewünschte Wirkung. Der Republikaner deutete mit dem Daumen auf den Geistlichen und sagte: «Da haben Sie gleich ein Beispiel für das, was ich Ihnen sagte. Bis vor kurzem haben die da nach Gutdünken geschaltet und gewaltet. Heute leben sie auf Pump, und sobald sie bocken, werden wir es ihnen heimzahlen, nicht wahr, Pater?»
    Der Geistliche verschränkte die Hände im Schoß und schaute den anderen scharf an. «Wer zuletzt lacht, lacht am besten», sagte er gelassen.
    Der Engländer überließ die beiden ihrem Wortgefecht. Langsam setzte der Zug seinen Weg durch die trostlose winterliche Meseta fort und zeichnete eine Rauchsäule in die kristallklare Luft. Bevor er wieder einschlief, hörte er den Republikaner argumentieren: «Wissen Sie, Pater, Kirchen und Klöster werden nicht grundlos niedergebrannt. Noch nie ist eine Schenke, ein Krankenhaus oder eine Stierkampfarena in Brand gesteckt worden. Wenn sich in ganz Spanien das Volk gerade die Kirchen aussucht, wo die doch so schwer brennen, dann muss es dafür einen Grund geben.»
    Ein heftiger Ruck riss den Engländer aus dem Schlaf. Der Zug hatte auf einem größeren Bahnhof angehalten. Ein Eisenbahnangestellter in Cape und mit Schal und Tellermütze humpelte eilig über den Bahnsteig. In seiner behandschuhten Hand balancierte er eine erloschene Messingfunzel. «Venta de Baños! Fahrgäste nach Madrid bitte umsteigen! Der Schnellzug fährt in zwanzig Minuten!»
    Der Engländer angelte seinen Koffer aus dem Gepäcknetz, verabschiedete sich von den Mitreisenden und trat auf den Gang hinaus. Seine von den vielen Stunden reglosen Dasitzens eingerosteten Beine versagten beinahe den Dienst. Trotzdem sprang er auf den Bahnsteig hinunter, wo er von einem eisigen Luftzug empfangen wurde, der ihm den Atem nahm. Umsonst hielt er nach dem Eisenbahner Ausschau – dieser war nach erfüllter Pflicht sofort in sein Büro zurückgekehrt. Die Bahnhofsuhr war stehengeblieben und zeigte eine unwahrscheinliche Zeit an. An einem Mast hing eine zerfetzte spanische Flagge. Der Engländer erwog, im Schnellzug Zuflucht zu suchen, durchquerte aber stattdessen den Bahnhof in Richtung Ausgang. Vor einer von Reif und Ruß blind gewordenen

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