Katzenmond
passieren können, schossen mir mit einem Strom blutiger Bilder durch den Kopf, bis ich merkte, dass sich in meiner Kehle ein golfballgroßer Kloß gebildet hatte. Camille griff nach meiner Hand, während wir den Schauplatz überblickten. Die Feuerwehr hielt immer noch ihre Schläuche auf Teile des Gebäudes gerichtet, doch die meisten Flammen waren schon erloschen. Es war auch nicht mehr viel da, was sie hätten verzehren können.
»Es ist schlimm.« Yugi hatte uns gesehen und eilte herbei. Chases Stellvertreter war ein schwedischer Hüne und inzwischen zu einem Freund geworden – uns gegenüber immer hilfsbereit. Er war ein VBM , aber ein begabter Empath, und als sich unsere Blicke trafen, sah ich, dass er zitterte. Er wandte sich Chase zu.
»Es tut mir leid, dass ich nicht da war …«, begann Chase geknickt.
»Du kannst nicht jeden Tag rund um die Uhr im Dienst sein, Chef. Wer hätte denn ahnen können, dass so etwas passiert? Es gab keinerlei Vorwarnung. Hassverbrechen an Nichtmenschen nehmen in letzter Zeit zu, das stimmt, aber mit einem Bombenanschlag hat niemand gerechnet.« Yugi reichte ihm eine Akte. »Hier ist alles, was wir bisher haben.«
»Fass die Fakten bitte für alle kurz zusammen.« Chase blätterte in der Akte, aber selbst unter einer Straßenlaterne war es zu dunkel zum Lesen.
Yugi nickte. »Klar. Um zweiundzwanzig Uhr fünfundvierzig ging der Notruf ein, es habe eine Explosion gegeben, aber wir wussten nicht, wie groß und wie schlimm. Die Feuerwehr war gleich auf dem Weg. Als unser Team hier ankam, stand das Gebäude vollständig in Flammen, und die Feuerwehr konnte erst einmal nichts ausrichten. Mir ist ein komischer Geruch aufgefallen, und ich kann immer noch nicht sagen, was das war – vielleicht ist er inzwischen auch verflogen. Vor lauter Rauch rieche ich nichts anderes mehr.«
Camille und ich traten vor und schnüffelten ein bisschen herum. Shamas tat es uns gleich. Plötzlich schrie er auf, und wir drehten uns alle zu ihm um.
Er wandte sich Chase zu. »Sprengstoff, kein Zweifel, aber nicht aus der Erdwelt. Es riecht nach Canya, einer explosiven magischen Mixtur. Eine Flüssigkeit – aber normalerweise wird nur eine kleine Menge davon einer größeren Bombe beigemischt. In der Anderwelt wird es auf der Straße gehandelt, denn in den meisten Städten ist das Zeug verboten.«
»Canya? Bist du ganz sicher?«
»Glaub mir, den Geruch kenne ich.«
Camille seufzte tief. »In größeren Mengen findet man es in der Anderwelt eigentlich nur in den Südlichen Ödlanden.« Sie runzelte die Stirn. »Die Gegend wird von Hexern, Goblins und den Goldensön-Feen beherrscht – die sich bis in die Gebirge im Norden vorarbeiten. Die Goldensön sind nicht wie wir. Sie sind fremdartig, ein bisschen wie die Seher von Aladril.«
»Jetzt ist heute Nacht zum zweiten Mal von Hexern die Rede. Glaubst du, Van oder Jaycee könnten etwas damit zu tun haben?« Ich starrte sie an.
Die beiden Hexer waren uns vor ein paar Monaten entwischt, nachdem sie in der hiesigen Werwolfgemeinde gewütet und auch Camille schweren Schaden zugefügt hatten. Trotz all unserer Mühen, sie gefangen zu nehmen, waren sie verschwunden. Wir konnten eben nicht jedes Mal gewinnen, und immerhin hatten wir ihr illegales Drogenlabor zerstört und mehrere Werwölfe vor einem grausigen Tod bewahrt. Daher hatten wir uns eher glücklich geschätzt.
Camille sog scharf den Atem ein und begegnete meinem Blick. »Daran will ich lieber nicht denken. Aber wir müssen natürlich jede Möglichkeit in Betracht ziehen. Vergeltung, weil wir ihr Wolfsdorn-Geschäft zerschlagen haben?«
Wolfsdorn war ein widerliches Zeug, eine Art Droge, mit der man Werwölfe gefügig machen konnte. Und für die Herstellung wurden Werwölfe gefoltert und seziert. Wir hatten eine illegale Wolfsdorn-Küche ausgehoben, doch die Betreiber waren entkommen und liefen immer noch irgendwo da draußen herum.
»Gut möglich. Als Treggarts würden sie auch an den Sprengstoff kommen.« Ich rieb mir die Stirn. Treggarts – menschenähnliche Dämonen, die hier leicht als menschlich durchgehen konnten – wurden allmählich zu einem ständigen Ärgernis. Wir wussten nicht genau, wie sie aus den Unterirdischen Reichen hierherkamen, aber da Schattenschwinge eines der Geistsiegel besaß, hatte er wahrscheinlich herausgefunden, wie er es dazu nutzen konnte.
»Es gibt noch eine Möglichkeit, die wir nicht außer Acht lassen dürfen: Telazhar.« Camille presste die Lippen
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